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Spiegel der Offenbarung

Spiegel der Offenbarung

Titel: Spiegel der Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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lösen.«
    Aruna bewegte sich jetzt langsam rückwärts, Richtung Spiegel, die Arme immer noch ausgebreitet. Als er davorstand, zeigte der Spiegel den Schattenlord, das dunkle Ebenbild des Gottes der Morgenröte. Jenen Moment des Zwielichts, wenn aus Grau Farbe wird. Wenn aus Kälte Wärme wird.
    Der Schattenlord versuchte zu weichen, zu fliehen, aber je mehr er es versuchte, desto näher wurde er an seinen Erzeuger herangezogen, seinen Schöpfer. Der Spiegel zwang ihn dazu.
    »Das wäre die beste aller Lösungen, denkst du nicht?«, sagte Aruna mild. »Anstatt zu sterben, werden wir leben. Und wieder ... sein. Nicht wie einst. Sondern besser. Ich werde deine Lehren beherzigen.«
    »Meine ... Lehren ...« Die Stimme des Schattenlords verwehte, ebenso wie er selbst dahinging, sein Schatten in den Gott hineinfloss, in dunklen Fäden.
    »Ich zeige dir die Sphären«, versprach Aruna. »Und den Morgen. Alles.«
    »Werde ... ich mich erinnern?«
    »Ich werde niemals vergessen.«
    Ein letzter, seufzender Hauch, und Aruna umarmte sein dunkles Selbst und nahm es in sich auf.
    Tränen des Glücks rannen über seine Wangen.

21.
    Frei
     
    Ein Hauch wehte durch Innistìr, der die Befreiung ankündigte. Die Grenzen fielen. Der Himmel wurde hell. Der Schattenlord war nicht mehr.
    In einem weichen Moosbett kam Nidi, der ehemalige Schrazel, zu sich, setzte sich auf und kratzte sich den buschigen Bart. »Es ist wohl vollbracht«, murmelte er. Dann merkte er, dass er etwas in der Hand hielt, und öffnete sie. Eine silberne Kette mit einem Drachenanhänger lag darin. Laura musste sie ihm beim Abschied heimlich zugesteckt haben, und er war so müde gewesen, dass er es nicht bemerkt, sondern die ganze Zeit unbewusst das Schmuckstück gehalten hatte.
    Er lächelte. Das war ein gutes Erinnerungsstück, wenn er zurückkehrte. Wie schade, dass er seinem Bruder nicht mehr die Geschichte seiner großen Fahrt erzählen konnte. Nýi ok Niδi, das waren sie gewesen, der zunehmende und der abnehmende Neumond, das neue und das schwindende Licht, die Ersten aus Modsognirs Horde, einstmals unzertrennlich, bevor der Tod sie auseinanderriss. Doch nun war das Gleichgewicht wiederhergestellt. Regin hatte sein Blut für Nýi vergossen.
    Nidi würde seine Geschichte an Odins großer Tafel vortragen, begleitet von Musik und Gesang. Das neue Lied formte sich bereits in seinen Gedanken, und er wusste, es würde eines der großen werden. Und dazu würde er mit dem Drachenanhänger das Bild des dahingegangenen Drachenzwerges, des Letzten seiner Familie, heraufbeschwören.
    Danke, Laura.
    Auch der Name der Menschenfrau wäre in dem Lied zu finden, und Nidi wusste, es würde sich dadurch verbinden mit einem anderen Lied, in dem ebenfalls eine Menschenfrau vorkam, die das Kind des Frühlingszwielichts geboren und den Welten die Unsterblichkeit zurückgegeben hatte.
    Die Welt ist erstaunlich geworden , dachte der uralte Zwerg vergnügt. Er stand auf und klopfte sich die Moosreste ab. Das ist es, was uns weiterbestehen lässt. Zeit ist es nun, heimzukehren.
    Mit einer Handbewegung öffnete er das Tor nach Hause und trat heiter hindurch.
     
    Glatzkopf rüttelte Bohnenstange wach.
    »Mmmbrrmmm«, brummte Cwym unwillig. »Wasn los ...«
    »Schau«, wisperte Bathú. Er deutete zum Himmel.
    Der dürre Elf setzte sich auf. »Bathú ...«, flüsterte er ergriffen. »Weißt du, was das bedeutet?«
    »Ja.« Der haarlose Elf lächelte glücklich. »Wir können nach Hause zurück.«
    »Und nicht mit leeren Händen.«
    »Nein, keineswegs. Komm!«
    Sie sprangen auf, umarmten sich lachend, hakten einander unter und tanzten fröhlich trällernd im Kreis.
    »Mann, was werden wir für eine Geschichte zu erzählen haben!«, rief Bathú. »Der ganze Hof wird uns gehören!«
    »Wir werden Helden sein!«
    »Wir werden Verehrerinnen haben!«
    »Wir werden einen Orden erhalten!«
    »Wir werden eine Anstellung bei Hofe bekommen!«
    Bathú verneigte sich vor Cwym und schwenkte die Arme zur Seite. »Nach dir, mein Bester.«
    »Nicht doch«, erwiderte Cwym und verneigte sich seinerseits vor Bathú. »Ganz der Deine.«
    »Also gut. Ich öffne, und du gehst als Erster hindurch.«
    »So möge es sein.«
    Glatzkopf konzentrierte sich, seine Lippen murmelten lautlose Worte, seine Hand vollzog ein Zeichen, und ein Flirren entstand in der Luft, ein funkelnder Schleier, der eine kaum verhüllte Sicht auf das Land dahinter bot.
    »O teure Heimat, du hast uns wieder.« Cwym straffte seinen dürren

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