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SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition)

Titel: SPIEGEL E-Book: Gutenbergs neue Galaxis: Vom Glück des digitalen Lesens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilmar Schmundt
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banale Schreiben überließ er lieber seinem Schüler Platon.
    E-Books sind ungreifbar wie Wassermoleküle, das ist ihre Stärke, das ist ihre Schwäche. Manchmal verdunsten sie auch ganz. Werde ich meine elektronische Bibliothek auch in zwanzig Jahren noch benutzen können? Ich bezweifle es.
    Immer wieder gehen selbst Profis riesige Datensätze einfach so verloren, die US-Weltraumbehörde Nasa musste schon nach neun Jahren feststellen, dass die Daten der Weltraumsonde „Viking“ teils fast unlesbar geworden waren, über eine Million Magnetbänder sind ebenfalls im Nirvana verschwunden. Falls Amazon strauchelt wie viele Internet-Imperien zuvor, geht meine Bücherwolke vielleicht in den Besitz eines Finanzspekulanten mit Sitz auf den Cayman Islands über. Und wenn ich sterbe, kann ich viele meiner E-Books nicht vererben, das verbieten teils die Geschäftsbedingungen.
    Anders als beim Buchkauf erwerbe ich mit E-Books oft kein Eigentum, sondern meist nur eine Nutzungslizenz, die mir das Ausdrucken, Verschenken oder Verkaufen verbietet. Mit dem Löschen meines Accounts wären dann auch die Bücher weg. Ich sichere sie daher mit der Software Calibre, aber das ist ziemlich umständlich. Ob es viel nützen wird, ist unklar. Michael Joyce, der Granddaddy of Hypertext Fiction, deutete diesen Effekt an, als er in den Achtzigern mit den verflüssigten Textgeweben experimentierte. „The Link severs as much as it links“. Jede Verbindung eine Trennung.
    Doch das Wissen um die Vergänglichkeit schreckt Joyce nicht ab, sondern spornt ihn an. Derzeit plant er eine Art biomorphes E-Book, das je nach Jahreszeit wächst und vergeht. Im Herbst erzählt es dann eine andere Geschichte als im Frühling.
    Ein lauer Sommerabend im Jahr 2012. Ein junger Mann sitzt vor einem vietnamesischen Restaurant in Berlin und fotografiert bei Reisteller und Bier ein Buch ab, Seite für Seite. Was soll denn das werden, ein Kunstprojekt?, frage ich ihn. Nein, sagt er. Wir stellen uns vor.
    Sebastian Damm ist Historiker, er promoviert zur deutschen Außenpolitik des Kaiserreichs. Er stöbert gerade durch die Briefwechsel zwischen Außenministern, die Staatsbibliothek in Berlin ist eine wahre Fundgrube. Ein Buch hat er mit ins Restaurant gebracht. Aber er lebe in Beirut, morgen fliege er zurück. „Ich finde es erstaunlich, dass die Archive verbieten, Material, das der Öffentlichkeit zugänglich sein sollte, abzufotografieren“, sagt er: „Wenn die digital verfügbar wären, könnte ich sicher ein Jahr Zeit sparen bei der Promotion.“
    Wir geraten ins Plaudern und spinnen ein bisschen herum. Wie wäre es, wenn Gutenbergs Heimatland, statt erbitterte Debatten um das Urheberrecht zu führen, ein Zukunftslabor betreiben würde: Autoren, Verleger, Medienforscher, die Expeditionen in die neuen Spiralarme der Gutenberg-Galaxis unternehmen? Die erkunden, wie sich die künstlichen Mauern um die virtuellen Bibliotheken schleifen lassen? Die erforschen, wie Leser auf Gelesenes reagieren? Die kartieren, welche Buchprojekte mit Crowdfunding funktionieren und welche nicht? Die juristisch klären, wie Leser ihre E-Books auch verleihen und vererben können?
    Es ist ja nicht so, dass Deutschland das Geld dafür fehlen würde: allein vom sogenannten Rundfunkbeitrag ließen sich fast tausend Stiftungen von der Größe von ProPublica finanzieren. Nur mal als Beispiel. Was, wenn man, sagen wir, ein Promille des Rundfunkbeitrags nehmen würde, um zu erforschen was passiert, wenn die Lettern immer beweglicher werden?
    Müßige Gedankenspiele. Sebastian Damm muss los. Er wird sich im Flugzeug mühsam durch die unscharfen Fotos auf seinem Rechner quälen.

Buchentsorgung: Abschiedsrituale
    Mittlerweile habe ich immer weniger Bedenken, Papierbücher auszusortieren. Doch die Tücke liegt im Detail. Ich war schon bei drei Antiquariaten, keines wollte meine Bücher haben, der Markt sei überschwemmt, hieß es.
    Der kultivierte Umgang mit Büchern erfordert heutzutage auch eine Strategie der würdevollen Entsorgung. Jürgen Neffe zum Beispiel pflegt ein kleines Abschiedsritual. Neffe ist Bestsellerautor („Darwin. Das Abenteuer des Lebens“) und Digitalpionier, der mit seinem StartUp „ Libroid “ versucht hat, eine interaktive, multimediale Leseplattform zu etablieren. Damit ist er zwar gescheitert, aber dem digitalen Lesen bleibt er treu. Wenn er also wieder einmal Papierbücher aussortiert, wirft er sie nicht einfach ins Altpapier, sondern stapelt sie auf einem

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