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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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Kronen geliehen. Es dauerte fast ein halbes Jahr, bis ich das Geld zurückzahlen konnte, aber er hat nicht gemurrt. Die restlichen 20000 hatte mir mein Vater geliehen. Mit Betonung auf „geliehen“. Ich brachte einen Monat meiner Sommerferien damit zu, als Kellner in einer Disco am Nytorv zu jobben und trug außerdem den ganzen Herbst über samstags Post aus. Das war anstrengend und todlangweilig, aber mein Vater bekam im Januar seine letzten 2000 Kronen zurück. Jetzt warte ich nur noch darauf, dass Nick mir 20000 Kronen gibt, das ist sein Anteil an der Lösegeldsumme. Inzwischen habe ich es aufgegeben, ihn danach zu fragen, da ich nie etwas anderes als tiefe Seufzer und anklagende Blicke ernte.
    Nach dem Spiel gehen wir alle zu Tobias nach Hause in die Haraldsgade. Dort macht er eine einladende Armbewegung: „Setzt euch doch.“
    Liv bleibt ein paar Sekunden lang in der Wohnzimmertür stehen. Der Raum ist mit zusammengewürfelten Möbeln und einem großen Fernseher eingerichtet. Die Gardinen wurden wahrscheinlich zum letzten Mal in den Neunzigerjahren gewaschen. Sie sehen zu dünn und zerschlissen aus, um überhaupt noch von Nutzen sein zu können, aber die Dreckschicht auf den Fenstern schluckt ohnehin das meiste Licht. Ich erwarte eine Reaktion, aber Liv lässt sich schließlich so selbstverständlich nieder, als wäre sie nicht zum ersten Mal hier. Eine Sekunde lang überlege ich, ob sie was mit Tobias haben könnte, verwerfe den Gedanken dann aber wieder. Die beiden sind einfach viel zu unterschiedlich.
    Statt einen seiner üblichen Horrorfilme legt Tobias eine amerikanische Teenie-Komödie in den DVD-Player ein. Sicherlich wegen Liv, aber sie sieht gar nicht hin. Stattdessen starrt sie mit einem abwesenden Blick auf ein zerfleddertes Filmplakat. Nach der Hälfte des Films nimmt sie die Fernbedienung und dreht den Ton leiser.
    „Tobias? Hast du nicht noch was anderes als Cola da?“
    „Was anderes?“
    „Du weißt schon, was ich meine.“
    Ich bin gelinde gesagt überrascht, denn ich habe Liv nie auch nur ansatzweise irgendwas rauchen sehen. Bis zum letzten Herbst hatte ich sie nicht einmal Alkohol trinken sehen.
    Nick ist genauso überrascht wie ich. „Bist du dir sicher?“
    „Halt dich da raus, Nick.“
    „Was ist denn mit dir los?“
    Sie muss heute wirklich in ihrer speziellen Liv-Stimmung sein. Wenn sie so drauf ist, liegt das immer daran, dass die Welt schlecht zu ihr war, und dann können sich die anderen entweder nach ihr richten oder abhauen, denn jetzt will sie sich das brave Mädchen austreiben. Das habe ich sie mit Alkohol und mit Sex tun sehen, und neuerdings steht anscheinend auch Hasch auf ihrer Liste. Sie nimmt Tobias den Joint so unverwandt ab, dass man meinen könnte, sie hätte das schon mal probiert – trotz des enormen Hustenanfalls, den sie nach dem ersten Zug bekommt.
    Wir rauchen eine Zeit lang schweigend. Liv starrt an die Decke. Ich bin ein wenig unruhig, ob sie in der Lage ist, alleine nach Hause zu kommen. Ich will auf keinen Fall derjenige sein, der sie in bekifftem Zustand bei ihren Eltern abliefert.
    Liv dreht sich um und sieht Tobias an: „Ich habe einen kleinen Bruder.“
    „Wie geht es Carl-Philip denn so?“, fragt Nick.
    „Schlecht.“
    „Er ist zum Teenager geworden“, erkläre ich. „Das ist für die große Schwester nicht leicht.“
    „Letzten Samstag kam er erst um zwei Uhr nachts von einer Party zurück!“
    „Ach du liebe Güte, du solltest sofort den Kinderschutzbund rufen“, sagt Nick.
    „Meine Eltern waren nicht zu Hause. Ich hatte die Verantwortung für ihn.“
    „Wenn er alt genug ist, um auf eine Party zu gehen, dann ist er doch auch wohl alt genug, um für sich selbst verantwortlich zu sein“, entgegnet Nick.
    „Davon hast du doch gar keine Ahnung! Wir hatten eine Verabredung: Er sollte mich anrufen, damit ich ihn abhole, okay?“
    „Hey“, unterbricht Tobias sie. „Hast du etwa deinen Führerschein gemacht?“
    „Ja, deshalb sollte ich ihn ja abholen. Aber er rief einfach nicht an. Diese miese kleine Ratte war plötzlich nicht mehr zu erreichen.“
    „Hast du ihn denn irgendwann ausfindig machen können?“, frage ich.
    Liv schüttelt den Kopf.
    Inzwischen haben Nick und Tobias einen Lachanfall bekommen. Ich zweifle daran, dass sie besonders breit sind. Sie haben nur keine Lust, sich noch mehr über Carl-Philip anzuhören.
    „Er kam dann irgendwann von allein nach Hause. Wahrscheinlich hat ihn irgendjemand mitgenommen. Ich weiß

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