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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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bis zum Gråbrødre Torv. Winky muss nach Amager und will ein Taxi nehmen. Er ist genug gelaufen für heute. Ich biete ihm an, ihn zu begleiten, bis er ein Taxi gefunden hat, aber Winky schüttelt den Kopf und versichert, er käme schon zurecht.
    „Dann macht es mal gut.“ Er sieht zu Rasmus rüber. „Sogar du.“
    „Sogar ich?“
    „Ja, sogar du, der uns mit seinem Gefasel fast ein paar Schläge auf den Kopf eingehandelt hätte.“
    Winky geht in Richtung Skindergade. Juliane ist schon auf dem Weg in die entgegengesetzte Richtung. Wir holen sie ein und gehen schweigend weiter. Schnell. Erst als wir bei den Søerne, den Kopenhagener Seen, angekommen sind, wechseln wir wieder in ein normales Tempo. Keiner von uns schlägt vor, ein Taxi zu nehmen, und so laufen wir stattdessen den ganzen Weg nach Hause, immer die Østerbrogade entlang. Im Osten zeigt sich das erste, körnige Morgenlicht, als wir endlich in der Weyesgade stehen. Juliane fragt mich, ob ich jetzt einsehe, dass Lasse recht gehabt hat.
    Ich zucke mit den Schultern.
    Rasmus ist schon ein Stück weitergegangen und sagt, wir sollten uns beeilen, denn er wolle endlich nach Hause und schlafen.
    „Die wollten uns sicher nur erschrecken“, antworte ich.
    „Selbst in den schlimmsten Situationen glaubst du noch an das Gute, Mateus. Das mag ich wirklich an dir.“
    Plötzlich kann ich mich nicht mehr beherrschen und ziehe sie an mich. Sie bleibt stehen und sieht mir in die Augen. Es ist Juliane, die mich küsst. Der Kuss dauert nicht lange, aber es liegt eine sanfte Zärtlichkeit darin. Als ich den Mund öffne und weiterküssen will, zieht sie den Kopf zurück.
    „Danke für den schönen Abend, Mateus.“
    Sie geht zu Rasmus und die beiden biegen um die Ecke.
    Es ist nicht nur früh am Tag. Alles ist früh, auch das zwischen Juliane und mir, aber ich kann gut warten. Sie ist einfach zu schön, um lesbisch zu bleiben.
    Auf der Treppe begegne ich meinem Vater, der in einem alten Iron-Maiden -T-Shirt aus der Küche kommt. „Na, ist es spät geworden? Beziehungsweise früh?“
    „Kann sein“, antworte ich und gehe weiter bis zu meinem Dachzimmer hoch.
    „Hattest du eine nette Zeit?“
    „Ja, phänomenal fantastisch!“
    Mit diesen Worten lasse ich die Tür hinter mir zufallen und schalte den Computer an. Gehe direkt auf Facebook und starre auf das Feld für die Statusmeldung. Ich kann den dummen Kommentaren genauso gut gleich zuvorkommen. Es ist schon okay, wenn die Leute glauben, dass ich heute Abend gezielt im Close war und nicht als Ergebnis eines fehlgeschlagenen Dates. Und es kann auch nicht schaden, wenn der langweilige Mateus einen etwas vielschichtigeren Ruf bekommt.
    Mateus war heute Nacht an allem „Close“ dran …
    Dieser Status ist kryptisch genug, um Aufmerksamkeit zu wecken. Ich stelle das Handy aus, verteile meine Klamotten auf dem Boden und falle ins Bett. Unten dreht mein Vater irgendwelchen Achzigerjahre-Rock auf. Das ist sicher seine Rache, weil ich keinen Bock hatte, mit ihm zu reden.
    Plötzlich vermisse ich meine Mutter ganz schrecklich.

6. März
    Der erste Samstag im März meldet sich mit Sonne und warmen zwölf Grad. Mein rechtes Handgelenk ist immer noch verbunden, aber ein bisschen Basketball kann wohl nicht schaden. Ich weiß, dass all die üblichen Verdächtigen bei den Basketballplätzen auftauchen, sobald es nur ein bisschen nach Frühling riecht. Ich schreibe Liv und Nick eine SMS und renne nach unten.
    Mein Vater mistet den Keller aus, er ist dabei, das größte Zimmer freizuräumen.
    „Ich fahre zum Basketball.“
    „Ja, schön, Mateus, aber komm mal ganz kurz her.“
    Das Zimmer ist normalerweise mit all den Sachen vollgestopft, die man nur ein paar Mal im Jahr braucht. Jetzt wurde hier ordentlich aufgeräumt. Klappstühle, Gartentisch und Sonnenschirm stehen an der Wand, während mein Vater das meiste andere Zeug in den Vorgarten geschleppt hat.
    Er zeigt auf ein paar Umzugskartons: „Die gehören dir, oder?“
    „Ich glaube schon.“
    „Und was ist da drin?“
    „Skiklamotten. Schlafsack. Solche Sachen.“
    „Und ziemlich viele alte Bücher und Schulsachen. Und deine Fußballausrüstung.“
    „Warum fragst du mich denn, wenn du sowieso schon alles durchwühlt hast?“
    „Kannst du die nicht eben mal auf drei Haufen verteilen?“ Mein Vater zeigt auf den Boden. „,Wegwerfen‘, ,Altkleidersammlung‘ und ,Aufheben‘.“
    „Und warum?“
    „Danach kannst du alles, was du aufheben willst, auch gleich in dein

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