Spieglein, Spieglein an der Wand
Zimmer oder in den Heizkeller räumen.“
„Warum können die Sachen nicht einfach hier bleiben?“
„Weil wir einen Proberaum brauchen.“
„Wer?“
„Tom, Palle und ich. Und unseren alten Frontsänger Frantz müssen wir erst noch anrufen.“
„Bitte was?“
Mein Vater platzt fast vor Freude: „Wir fangen wieder mit unserer alten Band an.“
Erst wird er von meiner Mutter gefeuert und im Anschluss wohl auch von der schwedischen Ärztin, die er in Afrika kennengelernt hat. Dann musste er den Traum von der Rettung der Welt aufgeben und stattdessen einen stinknormalen Job annehmen, bei dem er nun stinknormale Dänen in Narkose versetzt. Offenbar hat das alles bei ihm eine zum Himmel stinkende Midlife-Crisis ausgelöst. Doch während sich andere Männer damit zufriedengeben, einen Sportwagen zu kaufen, muss mein Vater sich unbedingt mit einer Amateurband blamieren, die Copy Noise heißt.
Das ist unverzeihlich peinlich.
„Wir werden hier unten also ziemlich viel Lärm verursachen“, sagt mein Vater mit stolzer Miene. „Wenn Palle erst mal seiner alten Drahtklirre einheizt – DIUDIUDIU!“
Ich schüttele den Kopf und gehe die Treppe hinauf. Das ist schon fast traurig: ein Arzt, ein Steuerberater und ein Biologe, die alle weit über vierzig sind, sich aber immer noch weigern,von ihrer sorglosen Jugend Abschied zu nehmen. Kann vielleicht bald mal jemand dieser Generation erklären, dass es sowohl akzeptabel als auch notwendig, um nicht zu sagen völlig unausweichlich ist, irgendwann erwachsen zu werden?
Frank, der Schrank, steht zusammen mit Henrik am Zaun, den wir wegen seines merkwürdigen Seitwärtsgangs Schiebetür nennen. Kasper läuft bereits ungeduldig auf dem Platz umher, strotzend vor Frühlingsgefühlen und einem völlig unbegründeten Selbstbewusstsein. Er geht zusammen mit Nicks Zwillingsschwester Sandra in die schlimmste Fehlzeiten- und Feierklasse des ganzen Gymnasiums. Die meisten in der Klasse haben ihren NC drei Jahre lang auf dem Altar des Partygotts geopfert, trotzdem bilden sich alle ein, in ein paar Monaten das Abitur zu bestehen.
Tobias ist auch hier und bewegt sich zusammen mit Nick und Liv träge unterhalb des Korbs hin und her. Sie wärmen sich nach der Tobias-Methode auf. Das heißt, man übt ein paar Dreipunktewürfe und sobald der erste trifft, dehnt man jedes Bein vier Sekunden lang und schüttelt es anschließend kurz – schon ist man aufgewärmt.
Leider komme ich in eine Mannschaft mit Kasper, der selbst aus dem entspanntesten Spiel einen Bandenkrieg machen kann. Er erträgt es einfach nicht, zu verlieren. Insbesondere nicht gegen Liv. Leider ist sie sowohl schneller als auch treffsicherer als Kasper. Wie immer reagiert er mit ein paar blitzschnellen Fouls, bis Tobias ihn zurechtweisen muss. Tobias ist weder der Älteste noch der Dominanteste von uns, aber trotzdem ist er es, nach dem sich alle richten. Vielleicht liegt es daran, dass er der beste Spieler ist.
Nach einer halben Stunde macht mein Handgelenk schlapp.Ich setze mich an den Zaun und beobachte die anderen beim Spielen. Kasper verdrückt sich ebenfalls, allerdings nicht, ohne vorher stundenlang betont zu haben, dass er lernen muss, weil die Abiprüfungen anstehen, und dass er, weil er sich gerne für ein Jurastudium bewerben möchte, laberangeberrhabarber …
Nick lässt Liv und Tobias gegen Schrank und Schiebetür antreten, dann kommt er zu mir gelaufen. „Na, wie läuft es so im Homokomitee?“
„Super! Willst du auch mitmachen?“
„Moment, ich muss mal eben in meinen Kalender gucken … Nein, leider bin ich schon total ausgebucht.“ Nick setzt sich neben mich. „Jetzt mal im Ernst, was hast du denn mit Juliane und Rasmus zu schaffen?“
„Wir arrangieren die Show für die Frühjahrsparty.“
„Du weißt aber schon, dass bei Juliane nicht viel zu holen ist, oder?“
„Ja, klar.“
Mal abgesehen davon, dass sie nicht besonders lesbisch ist, wenn sie einem einen Gutenachtkuss auf den Mund gibt.
„Dann machst du dir vielleicht Hoffnungen bei Rasmus?“
Liv macht drei Punkte und erntet ein anerkennendes High five von Tobias. Er ist durch und durch in Ordnung. Verkauft in seiner Freizeit ein bisschen Hasch, aber mehr aus Spaß. Er half uns damals, als wir den Pushern in Christianshavn Geld schuldeten. Sie hatten Nick als Geisel genommen, und ich musste innerhalb von vierundzwanzig Stunden ganze 40000 Kronen beschaffen. 15000 hatte ich selbst noch gespart und Tobias hat mir einfach so 5000
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