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Spieglein, Spieglein an der Wand

Spieglein, Spieglein an der Wand

Titel: Spieglein, Spieglein an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Bruhn
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nicht mal, wer. Und er war stockbesoffen. Hat in den Flur gekotzt und ist danach auf dem Klo eingeschlafen.“
    Das bringt die anderen mit ihren vernebelten Köpfen nur noch mehr zum Lachen. Liv starrt traurig vor sich hin. Ich nehme ihr vorsichtig den Joint aus der Hand und drücke ihn in einem Aschenbecher aus.
    „Und was hast du gemacht?“
    „Den Boden gewischt. Ihn ins Bett geschleift. Meine Eltern kamen eine Stunde später nach Hause und ich habe ihn gedeckt.“
    „Und das hat er vielleicht gar nicht verdient?“, frage ich.
    „Doch. Aber Mateus …“ Plötzlich greift Liv nach meiner Hand. Mit einer abrupten, fahrigen Bewegung nimmt sie meine beiden Hände und hält sie fest. „Er war so dermaßen blau.“
    Ich gaffe nur auf unsere Hände. Kann mich auf nichts anderes konzentrieren. Ohne es gemerkt zu haben, bin ich inzwischen wohl ebenfalls ziemlich bekifft.
    „Wir haben doch auch mit dreizehn angefangen zu trinken“, sagt Nick.
    „Ich war elf “, korrigiert Tobias.
    „Ja, aber mit Carl-Philip ist das anders. Er ist doch immer so kindlich gewesen.“
    Sie lässt meine Hände los und lehnt sich im Sessel zurück.
    Ich denke an Hände. Nicks Hände, die in diesem Moment nach einem Feuerzeug greifen und etwas Neues und sicherlich Stärkeres anzünden. Meine Hände, die Liv umarmt haben, in einer Nacht, die mich seit einem Jahr beschäftigt und vielleicht sogar für den Rest meines Lebens. Wenn niemals eine andere kommt, wenn sich alle Mädchen, die ich treffe, als lesbisch erweisen oder aus allen möglichen anderen Gründen nichts von mir wollen. Die Gedankenketten fallen zusammen wie Dominosteine, und das ist auch in Ordnung – ich habe nichts anderes vor, als hier zu sitzen und breit zu sein. Ich lasse den Nebel heranziehen. Lasse mich eine Weile davon einlullen. Nick und Tobias hören nicht auf, über irgendwas zu lachen, es fühlt sich an, als würden viele Stunden vergehen, es wird dunkel, einige von Tobias’ Freunden kommen mit Pizza vorbei. Irgendwann geht Liv. Ohne sich zu verabschieden. Ich verstehe sie gut. Eigentlich verstehe ich Liv besser, als mir lieb ist. Ich weiß, warum sie sich Sorgen um ihren kleinen Bruder macht, der sich eigentlich nur wie ein ganz normaler Teenager benimmt. Sie hat Angst, dass ihr Carl-Philip auch genommen wird.
    Was hat Jonathan hinterlassen? Nichts als Verlust, Fragen und Bilder, die sich ewig im Kreis drehen, wenn ich die Erinnerung an mich heranlasse. Heute besonders seine Hände. Wie sie sich um eine Bettdecke im Krankenhaus krampfen, wie sie meine Schulter so sehr umklammern, dass es wehtut.

7. März
    Ich bin erst kurz nach Mitternacht zu Hause. Dennis, meinem Vater und Wächter, entgeht natürlich nicht, dass ich breit wie ein Scheunentor bin. Er kommt mit einem Malerpinsel aus dem Keller, als ich gerade über die Reste in der Küche herfallen will. Er durchschaut mich sofort, also versuche ich nicht einmal, es abzustreiten. Ja, wir haben ein kleines Pfeifchen geraucht, ganz entspannt, wie erwachsene Menschen.
    Mein Vater sieht aus, als würde er gleich explodieren. Ich stelle die These auf, dass es nicht alarmierend ist, ein bisschen Gras zu rauchen. Und dass er doch wohl früher selbst ziemlich viel geraucht hat.
    Das bestreitet er aufs Schärfste.
    Ich sage, dass ich ihm kein bisschen glaube und schiebe das Essen wieder in den Kühlschrank zurück. Bis auf eine Leberpastete, die aus der Packung flutscht und auf dem Boden landet. Während ich nach einem Schaber greife, explodiert der Vulkan neben mir. Selten habe ich meinen Vater innerhalb so kurzer Zeit so vieles sagen hören. Dabei wedelt er ständig mit seinem Pinsel herum und hinterlässt weiße Farbklekse auf der grünen Wand. Der Haschkonsum bringe physische, psychische und soziale Abstürze mit sich, die nicht mehr aufzuhalten seien, bis man schließlich ohne Freunde und Familie und mit einer Kanüle im Arm in einem Rinnstein lande – der Meinung meines Vaters nach, natürlich. Meine schwachen Proteste, während ich die Leberpastete aufkratze, finden kein Gehör. Es könne zwar sein, dass ich noch nicht auf Crack und Kokain wäre, aber meinem Vater zufolge sei dies nur noch eine Frage der Zeit. Ob ich mir überhaupt eine Vorstellung davon machte, was für einen großen körperlichen Schaden schon ein einziger Joint verursachen könne? Das Gehirn werde einfach zerstört dabei!
    Ich schaufle die Leberpastete in den Mülleimer und sage, dass es meinem Gehirn gut gehe.
    Daraufhin VERBIETET mein

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