Spieglein, Spieglein an der Wand
wird.
„Ihr sitzt hier so liebreizend. Was ist mit dir, Tony, amüsierst du dich gut?“
Rasmus beugt sich hinab und hält Tony das Mikro hin. Er sagt nichts.
„Es ist ja auch ein bisschen schwierig, so im Scheinwerferlicht zu stehen“, zwitschert Rasmus. „Und noch viel schwieriger, Wörter zu einem ganzen Satz zusammenzufügen!“
„Fick dich“, stößt Tony wütend hervor.
„Ganze zwei Wörter! Dafür hat unser Tony einen Applaus verdient!“
Das Publikum klatscht und johlt. Christian und Tony versinken in ihren Sitzen, doch sie können dem Scheinwerferlicht und den Blicken nicht entgehen.
„Was seid ihr nur für zuckersüße Jungs. Darf ich mich kurz setzen?“ Rasmus setzt sich auf Christians Schoß. „Ihr braucht euch nicht zu schämen, wenn euch das anturnt. Das ist ganz natürlich!“
Wütend versucht Christian, Rasmus abzuschütteln.
„Oh mein Gott, er ist so erregt, dass er zittert!“ Rasmus klammert sich an der Stuhllehne fest.
Begeisterte Rufe und Pfiffe aus dem Publikum. Liv formt ihre Hände vorm Mund zu einem Trichter und heult wie ein Wolf. Nick stößt ein rhythmisches Gebrüll aus und schleudert seine Faust in die Luft.
„Uh, Christian …“ Rasmus’ Stimme ist voller Anzüglichkeit. „Jetzt kann ich spüren, wie sehr es dir gefällt, was, Kleiner?“
Die Menge tobt. Rasmus steht wieder auf und sagt, das schmeichle ihm sehr, aber er sei wohl eine Nummer zu groß für sie.
„Und das meine ich ganz wörtlich!“
Das Wolfsgeheul aus dem Publikum bricht nicht ab. Es ist derselben Meinung.
„Also geht doch einfach nach Hause und holt euch gegenseitig einen runter. Wie ihr es sonst auch immer macht. Klar?“
Genau in diesem Moment wiederholt sich der Refrain zum letzten Mal. Mizz Take This betritt singend die Bühne und trägt den Sieg nach Hause.
Eine Stunde später spüre ich ein paar kleine Hände auf meinem Rücken. Als ich mich umdrehe, sehe ich Veronica, die mit vom Bier glasigen Augen vor mir steht und mich fragt, ob ich der nächste Vorsitzende des Partykomitees werden will.
„Äh, was?“
„Ich werde auf der nächsten Sitzung zurücktreten. Ich muss mich auf mein Abi konzentrieren. Und danach bin ich sowieso weg, also brauchen wir einen neuen Vorsitzenden. Wäre das nichts für dich, Malte?“
„Mateus. Und nein, danke, das ist nichts für mich.“
„Ich habe mir für dieses Partykomitee wirklich den Hintern aufgerissen.“
„Das weiß ich.“
„Aber man sollte nie erwarten, dass die Leute dankbar sind, das sind sie nämlich überhaupt nicht!“ Sie will ihre Worte mit einer Geste unterstreichen, verliert dabei aber das Gleichgewicht. Ich halte sie an den Schultern fest, damit sie nicht umfällt. Ich merke, wie sie unter meinen Fingern zittert. „Das ist überhaupt nicht witzig!“
Ich habe keine Ahnung, wovon sie redet, aber sie erklärt es auch nicht weiter. Stattdessen steigen ihr die Tränen in die Augen. Der Gedanke an eine weinende Veronica ist total absurd. Sie ist die Komiteevorsitzende mit der Eisenfaust. Sie ist die eiskalte Diktatorin ohne Gefühle. Aber momentan ist sie nur ein starkes Mädchen, das weint, sodass ich sofort bereitwillig in die Rolle des netten Trösters schlüpfe.
„Hallo Mädels!“ Rasmus taucht hinter uns auf. Er hat sein Make-up entfernt und trägt wieder seine eigenen Sachen. „Steht ihr hier und redet darüber, wie toll ich war?“
Veronica sieht Rasmus kurz an, dann ist sie weg.
„Danke mein Schatz, ich liebe dich auch!“ Rasmus verdreht die Augen und sieht mich an: „So eine beleidigte Tussi. Na gut, dann kannst du mich ja jetzt loben.“
„Du warst richtig gut. Ein unbestrittener Erfolg. Und du kannst super auf hohen Absätzen laufen. Reicht das?“
„Danke, danke. Ich bin erleichtert, dass es überstanden ist. Und, bist du bereit?“
„Wofür?“
Rasmus schleift mich zur Tür. „In einem der Musikräume ist jetzt Party.“
„Was denn für ’ne Party?“
„Alk und Mädels – also perfekt für dich! Und ich habe einen Generalschlüssel, jedenfalls so lange, bis Kjeldsen sich daran erinnert, wofür ich ihn ausgeliehen hatte. Hopp, hopp!“
Rasmus führt mich durch eine Tür und schließt hinter uns zu. Die einzige Beleuchtung im Raum besteht aus zwei Kerzen, die auf dem Flügel stehen. Juliane sitzt auf dem Boden und öffnet gerade eine Flasche Rotwein.
Sie wirft hitzig den Kopf in den Nacken: „Was will der denn hier?“
„Sich wieder mit dir versöhnen. Und umgekehrt. Mir zuliebe. Denn
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