Spiel der Dämmerung - Feehan, C: Spiel der Dämmerung - Mind Game (Ghost Walkers # 2)
du mit Lily spielen darfst, wenn du ihm etwas wirklich Tolles vorführst. Würde dir das gefallen? Nachher bis zum Schlafengehen mit Lily zu spielen?«
Dahlia drückte ihre zerschlissene Decke an die Brust und nickte mit ernstem Blick. Die Schwester kniete sich neben Dahlia auf den Boden und streckte die Hand aus, um ihr die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Augenblicklich zog das kleine Mädchen den Kopf ein; es hatte keine Angst, das war offensichtlich, sondern vermied nur jeden Körperkontakt mit ihr. Seufzend ließ Milly die Hand sinken. »Na schön, Dahlia. Probier doch mal etwas mit einer von den Kugeln. Sieh zu, ob du was damit machen kannst.«
Dahlia verdrehte den Kopf und schien dem Doktor durch die verspiegelte Scheibe direkt ins Gesicht zu sehen. »Warum starrt uns dieser Mann die ganze Zeit so an? Was will er denn?« Sie klang sehr erwachsen für ihr Alter.
»Er möchte wissen, ob du mit den Steinkugeln ein Kunststück aufführen kannst«, antwortete Milly.
»Ich mag ihn nicht.«
»Du musst ihn auch gar nicht mögen, Dahlia. Du sollst ihm nur zeigen, was du kannst. Du weißt doch, dass du eine Menge toller Tricks beherrschst.«
»Es tut aber weh, wenn ich das mache.«
»Wo genau tut es denn weh?« Leicht verunsichert starrte Milly jetzt ebenfalls in den Spiegel.
»In meinem Kopf. Mein Kopf tut die ganze Zeit weh, und ich kann den Schmerz nicht verscheuchen. Lily und Flame können das aber.«
»Zeig dem Doktor einfach etwas, dann darfst du den ganzen Abend mit Lily zusammen sein.«
Dahlia verfiel einen Moment lang in Schweigen und wiegte sich dabei wieder hin und her, die Finger fest in ihre Schmusedecke verkrallt. Hinter der einseitig verspiegelten Scheibe hielt Dr. Whitney die Luft an und machte sich,
fasziniert von dem Verhalten des kleinen Mädchens, hastig Notizen. Dahlia schien die Vor- und Nachteile der in Aussicht gestellten Möglichkeit genauestens gegeneinander abzuwägen. Schließlich nickte sie auf eine Art, als täte sie Milly mit ihrer Zustimmung einen großen Gefallen.
Ohne noch weiter zu debattieren, hielt Dahlia ihre winzige Hand über eine der Kugeln und begann kleine Kreise darüber zu beschreiben. Dr. Whitney lehnte sich näher an die Glasscheibe, um ihre konzentrierte Mimik genauer zu beobachten. Die Kugel fing an, sich auf dem Boden zu drehen, dann hob sie ab und schwebte unter ihrer Handfläche. Dahlia ließ die Kugel an ihrem Zeigefinger entlangrollen und sie ein paar Zentimeter über dem Fußboden kreisen – eine erstaunliche Demonstration ihrer phänomenalen Fähigkeit, einen Gegenstand allein durch ihre Willenskraft zu manövrieren. Dann erhob sich eine zweite Kugel vom Boden und führte mit der anderen einen wilden Tanz unter ihrer ausgestreckten Hand auf. Ihr Tun ließ kaum eine Anstrengung erkennen. Dahlia schien sich zwar zu konzentrieren, aber nicht über die Maßen. Während sie die Kugeln tanzen ließ, wanderte ihr Blick zu der Krankenschwester und weiter zu der verspiegelten Scheibe, und es hatte beinahe den Anschein, als langweile sie sich. Ein oder zwei Minuten lang hielt sie die Kugeln in der Luft.
Dann ließ sie abrupt den Arm sinken, schlug beide Hände gegen den Kopf, presste die Handflächen gegen die Schläfen. Die Kugeln fielen klackend zu Boden. Sie war kreidebleich im Gesicht, die Ränder ihrer Lippen wurden weiß.
Dr. Whitney fluchte leise und drückte einen zweiten Knopf. »Sagen Sie ihr, sie soll es noch einmal versuchen.
Diesmal mit mehreren Kugeln. Und sie soll sie so lange wie möglich in der Luft halten, ich will die Zeit stoppen.«
»Sie kann nicht, Doktor. Sie sehen doch, dass sie Schmerzen hat«, protestierte Milly. »Wir müssen sie zu Lily bringen. Anders können wir ihr nicht helfen.«
»Das behauptet sie nur, damit sie ihren Willen bekommt. Wie könnten Lily oder Iris ihr die Schmerzen nehmen? Das ist doch lächerlich, das sind doch nur Kinder. Wenn sie Lily unbedingt sehen will, braucht sie nur das Experiment zu wiederholen und sich ein bisschen mehr anzustrengen. «
Es entstand ein kurzes Schweigen. Das Gesicht des kleinen Mädchens verdüsterte sich. Ihre Augen wurden pechschwarz. Wütend starrte sie auf die verspiegelte Scheibe. »Das ist ein böser Mann«, erklärte sie der Krankenschwester. »Ein sehr böser Mann.« Das Glas begann feine Risse zu bilden, die aussahen wie ein Spinnennetz. Auf dem Boden lagen mindestens zehn Kugeln in unterschiedlichen Größen. Und alle schossen plötzlich wie verrückt durch die Luft und
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