Spiel der Finsternis: Der Bund der Schattengänger 10 - Roman (German Edition)
allein haben würde.
Er hob langsam den Kopf und wartete darauf, dass sich ihre langen Wimpern hoben. Er liebte diese beiden zarten Halbmonde, die unglaublich lang und fiedrig über ihren hohen Wangenknochen flatterten, ehe sie ihre dunklen Augen öffnete, um zu ihm aufzublicken. Er liebte das Gefühl, wie ihm das Herz sank, sowie ihre Blicke sich trafen, und er wusste, dass sie immer diese Wirkung auf ihn haben würde, genau diese Wirkung. Sein Körper war sich ihrer ganz akut bewusst, und sein Inneres war so von ihr erfüllt, dass nie Raum für einen anderen Menschen sein würde.
Also gut. Von mir aus kannst du dein Leben in Gefahr bringen und die Erlaubnis meiner Brüder einholen.
Das klang nicht ganz so überzeugt, wie es ihm lieb gewesen wäre. Er küsste ihre Nasenspitze, beide Augen und ihre Mundwinkel.
»Sprich mit mir, Azami«, redete er ihr gut zu. »Ich halte nichts von Geheimnissen. Meine Frau wird wissen, was sich in meinem Leben tut, und ich muss über ihr Leben Bescheid wissen. Ich will nicht, dass einer von uns die Gefühle des anderen verletzt. Wenn du Bedenken hast, müssen wir darüber reden.«
Sie hob ihr Kinn. »Ich muss eine Mission ausführen. Es geht um eine Ehrensache. Ich kann nicht aufhören, solange es nicht getan ist. Ich bin nicht unrealistisch. Mir ist klar, dass ich wahrscheinlich nicht diejenige sein werde, die ihn tötet, aber ich habe es zu meiner Pflicht erhoben, ihn von jeglicher Unterstützung abzuschneiden, die ihm Legitimität verleiht.«
»Das verstehe ich, Azami. Ich verstehe es wirklich. Ich bin Soldat. Wenn du Whitney zu Fall bringen willst, befindest du dich hier ohnehin unter Verbündeten. Vier Schattengängerteams haben es sich zum Ziel gesetzt, ihn zu finden und ihn zu vernichten.«
»Er hat mächtige Freunde«, warnte sie.
»Glaube mir, Honey, das ist uns allzu deutlich bewusst.«
Plötzlich lächelte sie. »Du sagst Honey zu mir. In meinem Land benutzen wir diesen Begriff nicht. Es gefällt mir, aber es kommt mir seltsam vor.«
»Es ist ein Kosewort, das man für seine Freundin oder seine Frau benutzt«, erklärte er.
Sie holte Atem, trat zurück und spreizte ihre Hände. »Er hat mich Thorn genannt. Whitney. Er hat gesagt, ich sei keine Blume, sondern nur ein Dorn, und es gäbe nichts, was er tun könnte, um das zu ändern, ganz gleich, wie sehr er sich bemüht.«
Die nächste Enthüllung. Sie stand vollkommen still da und wartete. Sam holte Atem. Er wollte ganz sicher sein, dass er das Richtige sagte. Kurz nachdem sie einander begegnet waren, hatte er sie gefragt, was ihr Name bedeutete. Er lächelte sie an und trat einen Schritt vor, um die Lücke zu schließen, die entstanden war, weil sie Abstand von ihm gebraucht hatte. Seine Hand legte sich unter ihr Kinn und hob ihren Kopf.
Sein Herz schlug einen eigentümlichen Salto, als er den Mut in ihren Augen sah. So würde er sie immer sehen, seine Azami, die sich dem Schlimmsten stellte, das Schlimmste erwartete und doch nicht zurückschreckte, sondern ihm fest in die Augen sah. Er hatte sich der Pflichterfüllung verschrieben und Ehre und Gefahr gewählt, obwohl er viele andere Möglichkeiten hatte. Er hatte Studienabschlüsse und Angebote, aber er fühlte sich dazu berufen, Soldat zu sein und sein Land und dessen Bewohner zu verteidigen. Er hatte nie geglaubt, dass er einmal eine Frau finden würde, die ihn verstehen oder seine Wahl bewundern könnte. In Azamis Augen sah er sowohl Verständnis als auch Bewunderung.
»Du bist Azami, das Herz der Distel. Die Blüte der Distel. Für Whitney ist hier kein Platz, und er kann auch nicht zwischen uns stehen. Er bedeutet uns nichts, Honey. Machst du dir überhaupt eine Vorstellung davon, was wir beide gemeinsam sind? Welche Kraft wir vereint besitzen werden? Whitney kann uns niemals besiegen, und er kann uns auch nicht brechen. Er wollte Soldatenpaare erschaffen, die auf feindlichem Territorium abgesetzt werden, ohne Hilfe von außen Missionen ausführen und unbeobachtet entkommen, ehe jemand auch nur weiß, dass sie da waren. Wir sind dieses perfekte Paar, und er hat es nie auch nur gesehen. Er ist nicht unbesiegbar. Er hat die Schattengänger erschaffen, und du bist eine von uns, ob er es weiß oder nicht. Und wir werden sein Untergang sein.«
Er wusste, dass sie ihre Familie liebte, aber wie konnte sie jemals ein Gefühl von Zugehörigkeit gehabt haben – mit ihren eigenartigen übersinnlichen Gaben, ihrer qualvollen Vergangenheit, ihrem vernarbten Körper
Weitere Kostenlose Bücher