Spiel der Herzen (German Edition)
noch wie ein Schuljunge benimmt, weil er sich scheut, erwachsen zu werden.«
Er blieb mitten auf der Straße stehen. Sie sah in ihm einen Schuljungen?
»Tut mir leid«, sagte sie hastig. »Das hätte ich nicht sagen sollen.«
Er funkelte sie wütend an. »Ich habe nicht darum gebeten, das Kindermädchen für Ihren verdammten Neffen zu spielen. Das war Ihre Idee. Wenn es Ihnen also nicht passt, wie ich es tue, habe ich weiß Gott Besseres zu tun.«
In ihrem Gesicht malte sich Bestürzung ab. »Dann werde ich ihn Ihnen nicht mehr aufzwingen.«
Er versuchte, nicht darüber nachzudenken, wie sehr ihn ihre Reaktion aus der Fassung brachte, und setzte sich wieder in Bewegung.
Sie folgte ihm. »Wissen Sie überhaupt, wohin Sie gehen?«
»Nein«, erwiderte er, »und es ist mir auch egal.«
Als wollte Mutter Natur ihm klarmachen, dass es ihm nicht egal sein sollte, fielen die ersten dicken Regentropfen auf seinen Gehrock. Großartig.
»Vielleicht sollten wir schnell zurück zum Gasthaus«, sagte Annabel.
Im selben Moment begann es auch schon heftig zu regnen. »Dafür ist es zu spät«, brummte er. Auf der anderen Straßenseite stand eine Scheune, und er zog sie rasch hinein. Als sie in den schummrigen Bau kamen, umfing ihn der Geruch von Pferden und frischem Heu. »Es scheint keiner da zu sein. Die Leute sind wahrscheinlich alle auf dem Markt.«
»Gut«, sagte sie spitz. »Dann können Sie mir ja jetzt die Frage beantworten, der Sie die ganze Zeit ausgewichen sind. Was haben Sie Geordie gesagt, dass er denkt, Sie wollten mich heiraten?«
Er fluchte leise vor sich hin. Ihm hätte klar sein müssen, dass er ihr nicht ewig ausweichen konnte. »George ist nicht mehr das Kind, als das Sie ihn betrachten. Er begreift schon eine ganze Menge.«
»Oh, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst. Was hat er denn im Einzelnen begriffen?«
»Genug, um zu erahnen, dass wir beide uns geküsst haben.«
Sie erbleichte. »Grundgütiger.«
»Er hat mich gefragt, ob meine Absichten Ihnen gegenüber ehrenwert sind«, gestand Jarret. »Ich musste ihm irgendetwas sagen.«
»Sie hätten versuchen können, ihm die Wahrheit zu sagen«, entgegnete sie in dem überheblichen Ton, den sie immer anschlug, wenn sie sich ihm moralisch überlegen fühlte.
Damit brachte sie ihn zur Weißglut. »Die Wahrheit?«, fuhr er sie an. »Dass meine einzige Absicht gegenüber seiner Tante fleischlicher Art ist – hätte ich ihm das sagen sollen?«
Sie sah ihn völlig perplex an. »Ich … nun … Nein, das wäre wohl keine gute Idee gewesen.«
Er baute sich vor ihr auf. »Ich hätte ihm auch sagen können, dass Sie, wenn es nach mir ginge, schon längst eine Nacht in meinem Bett verbracht hätten.«
Ihr stieg die Röte ins Gesicht. »Nein, das wäre sicherlich nicht –«
»Ich hätte ihm sagen können, dass es mir schwerfällt, die Finger von Ihnen zu lassen.« Er schlang die Arme um ihre Taille, und der Anblick ihrer geröteten Wangen erfüllte ihn mit Verlangen. »Ich hätte sagen können, dass ich an nichts anderes denke, als es mit Ihnen bis zur Besinnungslosigkeit zu treiben. Dass ich nachts wach liege und mir ausmale, wie es sich anfühlt, Sie unter mir zu haben. Hätte das Ihren Wahrheitssinn und Ihr Ehrgefühl befriedigt?«
»Es wäre gewiss nicht –«
Sie hielt inne, denn von draußen waren plötzlich Stimmen zu hören.
»Verflucht noch mal«, murmelte er. »Das hat uns gerade noch gefehlt – wenn sie uns hier finden, denken sie noch, wir wollten ihre Pferde stehlen.« Er sah sich um und entdeckte eine Leiter, die auf den Heuboden führte. »Schnell, kommen Sie«, knurrte er und hetzte sie die Sprossen hoch.
Zum Glück war sie sehr flink. Sie waren gerade oben angekommen, als sie hörten, wie die Scheunentür aufging. Er zog sie rasch ins Stroh und legte den Zeigefinger auf ihre Lippen.
Die Männer sprachen über den Verkauf eines Pferdes, doch Jarret hörte nicht genau hin. Er war zu beschäftigt damit, Annabel zu betrachten, die halb unter ihm lag. Mit ihren roten Wangen und den dunklen Locken, die auf dem goldenen Stroh ausgebreitet waren, sah sie hinreißend aus. Ihr dünnes, vom Regen durchnässtes Kleid war fast durchsichtig, und er sah, wie sich ihre harten Brustwarzen durch den Stoff drückten.
Plötzlich waren ihm George und die Brauerei völlig egal. Es interessierte ihn auch nicht mehr, was sie ihm in Bezug auf ihren Bruder verschwieg. Nichts war mehr wichtig, außer dass sie ihn mit ihren großen dunklen Augen ansah, die
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