Spiel der Herzen
stand in großen, soliden, schnörkellosen Buchstaben CLARA.
Die Kleinunternehmerin blickte von ihren Briefen auf und entdeckte durchs Schaufenster die beiden Damen vor ihrer Auslage. Da ihr Helga bekannt war, nickte sie, freundlich grüßend. Helga lächelte zurück.
»Die sieht gut aus«, konstatierte Gerti. »Und jung ist sie auch noch.«
»Und sehr nett im Wesen.«
»Also wie geschaffen für einen Mann. Hat sie denn keinen, daß sie auf das Geschäft pfeifen könnte?«
»Doch«, erwiderte Helga. »Aber auf den ist kein Verlaß.«
»Dann würde ich mir einen anderen anlachen.«
»Ich auch.«
Gerti faßte den Pulli noch einmal ins Auge. Wenn ich nicht schon zwanzig hätte, würde ich ihn mir kaufen, dachte sie.
»Erinnerst du dich an den Mann, von dem wir im ›Belstner‹ gesprochen haben?« fragte Helga.
»Ah, den angeblichen Ladykiller?«
»Ja«, nickte Helga. »Das ist er. Mit dem hat sie ein Verhältnis.«
Sie gingen weiter. Wenn man den Teufel nennt, kommt er grennt, lautet ein altes Sprichwort.
Schon nach wenigen Schritten stieß Helga hervor: »Das darf nicht wahr sein!«
»Was denn?« fragte Gerti.
»Da kommt er.«
»Wer?«
»Der Ladykiller.«
»Wo?«
Ein himmellanger Mensch, der alle anderen Passanten auf dem Bürgersteig überragte, kam ihnen entgegen, entdeckte Helga und grinste schon von weitem.
»Wen sehe ich?« begann er. »Den Traum meiner schlaflosen Nächte …«
»Tag, Werner«, sagte Helga. »Gerade haben wir von dir gesprochen …«
»Schlecht, nehme ich an«, sagte er mit verstärktem Grinsen.
»Ja«, lachte Helga.
Werner hielt es nicht für nötig, dagegen rhetorisch anzukämpfen. Er ging großzügig darüber hinweg und wandte sich Gerti zu.
»Der Traum meiner schlaflosen Nächte scheint sich verdoppelt zu haben«, sagte er zu ihr. »Ist denn das die Möglichkeit?«
Helga oblag es, die beiden einander vorzustellen. Sie sagte: »Darf ich bekannt machen – Herr Doktor Ebert, Frau Maier.«
Werner verbeugte sich. »Ich bin hingerissen.«
»Ganz meinerseits«, lachte Gerti.
»Sie sind die Dame mit bayerischer Vergangenheit?«
»Woher wissen Sie das?« fragte Gerti überrascht.
»Von meinem Freund Frank Petar. Er hat mich auf Sie vorbereitet.«
»So?«
»Darf ich Ihnen etwas verraten?«
»Was denn?«
»Ich liebe Enzian.«
»Wirklich?« lachte Gerti. Sie amüsierte sich köstlich.
»Und Knödel.«
Helga mischte sich ein, indem sie sagte: »Wir halten den ganzen Verkehr auf …«
Sie hatte recht. Der Bürgersteig war schmal. Die Leute, die passieren wollten, mußten hinuntertreten auf den Fahrdamm. Eine Ausfahrt aus einem Haus, ein paar Meter weiter, bot den dreien die Möglichkeit, sich in sie hineinzustellen.
»Ich wette«, sagte Helga zu Werner, »daß du für Enzian nichts übrig hast …«
»Doch, doch.«
»Ganz bestimmt nichts für Knödel!«
»Aber sicher!« Werner hob die drei Schwurfinger. »Sogar fürs Jodeln und Schuhplatteln!«
Die Leute wunderten sich über das Gelächter des Trios in der Torausfahrt.
»Tragen Sie immer so dick auf, Herr Doktor?« fragte Gerti.
»Mißtrauen Sie mir etwa?« antwortete Werner.
»Ich mißtraue jedem Mann.«
»Dann muß ich Ihnen Gelegenheit geben, mich näher kennenzulernen. Wann hätten Sie dazu einen Termin frei? Und wo?«
Ebenso schlagfertig erwiderte Gerti: »Meine Termine sind, fürchte ich, in nächster Zeit alle schon vergeben.«
»Aber –«
»Werner«, unterbrach ihn Helga, »du hast es sicher sehr eilig. Wir wollen dich nicht mehr länger aufhalten.«
»Du irrst dich, Helga, ich habe Zeit.«
»Wolltest du nicht zu deiner Freundin?«
»Nein«, log er.
»Dann laß dich von uns dazu animieren. Sie wird sich sicher sehr freuen. Zeit hast du ja, sagst du.«
»Aber –«
»Das finde ich auch«, fiel Gerti ein und streckte die Hand aus. »Der Vorschlag ist gut. Auf Wiedersehen, Herr Doktor. War nett, Sie kennenzulernen.«
Überrumpelt stand Werner Ebert da (das passierte ihm selten) und blickte den beiden Damen noch nach, als sie mit ihren aufregenden Hinteransichten schon eine ganze Weile um die nächste Ecke verschwunden waren.
Zwei Wochen nachdem der Brief an Thekla Bendow geschrieben und abgesandt worden war, trafen sich Frank Petar und Werner Ebert in einem kleinen gemütlichen Lokal, dessen verwitwete Wirtin zwar nicht besonders gut kochte, die aber erstaunlicherweise dafür ihren Ehrgeiz dareinsetzte, ihr Pils, das sie ausschenkte, am besten zu pflegen in ganz Heidenohl. Der Erfolg für
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