Spiel der Herzen
»dann kannst du auch nicht das gesehen haben, was mir wieder einmal aufgefallen ist.«
»Was denn?«
»Daß wir seit Helmut Rahn keinen richtigen Außenstürmer mehr haben.«
»Soll ich dir sagen, warum dich das wundert?«
»Warum denn?«
»Weil du nicht siehst, daß das am System liegt.«
»Was heißt am System?«
»Das heißt«, antwortete Frank mit der überlegenen Miene eines Lehrers, der einem Klippschüler etwas erklärt, »daß heute ein anderer Fußball gespielt wird als zu Rahns Zeiten. Außenstürmer sind nicht mehr gefragt.«
»Unsinn!« widersprach Werner. »Natürlich wären die gefragt, wenn es welche gäbe. Aber es gibt sie nicht mehr, sie sind ausgestorben. Daran liegt's.«
»Ach was!«
»Das zeigt sich doch nicht nur bei uns. Das zeigt sich auch in ganz Europa und in Südamerika. Nicht einmal bei den Brasilianern hat Garincha einen Nachfolger gefunden. Oder willst du das bestreiten?«
»Werner«, sagte Frank, »das könnte ich sehr wohl bestreiten, aber dazu fehlt uns, denke ich, die nötige Zeit. Oder willst du den ganzen Abend über Fußball reden, ohne etwas davon zu verstehen?«
»Damit meinst du wohl dich selbst, Junge«, sagte Werner. »Aber lassen wir das.« Er räusperte sich, um ein anderes Thema anzuschneiden. »Ich habe dich angerufen, weil wir über diese Frau sprechen müssen …«
»Die rührt sich also nicht?« sagte Frank.
»Nein.«
»Das hast du nicht erwartet?«
»Nein.«
»Was willst du nun machen?«
Werner zuckte mit den Achseln.
»Darüber bin ich mir noch im unklaren. Was meinst du, was ich machen soll?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Frank. »Das mußt du schon selbst wissen. Du bist der Fachmann auf diesem Gebiet.«
Recht weit schien es aber mit Werners Ideen nicht herzusein, denn seine Antwort ließ auf sich warten. Er kratzte sich am Kopf, und das, was er dann sagte, war auch kein besonderer Geistesblitz.
»Wissen müßte man«, meinte er in grübelndem Ton, »warum die schweigt.«
»Vielleicht ist sie beleidigt«, sagte Frank.
»Wieso beleidigt?«
»Weil du ihren Text abqualifiziert hast. Vielleicht will sie deshalb auf eine Veröffentlichung überhaupt verzichten. Entweder du akzeptierst beides zusammen – Text und Illustrationen! –, oder du kannst ihr den Buckel runterrutschen, sagt sie sich.«
»Dann spinnt sie!«
Eine Weile herrschte Schweigen. Werner zündete sich eine Zigarette an, Frank folgte seinem Beispiel. Als sie bemerkten, daß der Wirtin Blick auf ihnen ruhte, griffen sie im Gleichklang nach ihren Gläsern und leerten sie.
»Am Drücker«, sagte dann Frank, »ist die, Werner, und nicht du. So sehe ich die Sache. Oder befinde ich mich da in einem Irrtum?«
»Ich kann der jederzeit ihren Dreck zurückschicken.«
Werner klopfte mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte und wiederholte mit Nachdruck: »Jederzeit!«
Frank nickte.
»Das kannst du, ja – aber damit wäre das ganze Projekt gestorben! Willst du das?«
»Nein«, erwiderte Werner.
»Also nicht.« Frank blickte Werner an. »Was dann? Wie soll es sich ändern, daß du auf der Stelle trittst?«
Werner gab Franks Blick zurück.
»Vielleicht liegt der Schlüssel bei dir, Frank.«
»Bei mir?«
»Vielleicht solltest doch du den ersten Brief schreiben und den Stein ins Rollen bringen. Was hältst du davon?«
»Wenn die nicht will«, lautete Franks Entgegnung, »erreichen wir auch damit nichts.«
»Dann zeig mir einen anderen Weg.«
Doch wieder schüttelte Frank den Kopf.
»Ich weiß keinen«, sagte er. »Das einzige, von dem man sich vielleicht etwas versprechen könnte, wäre ein persönliches Gespräch. Aber dazu bietet sich ja keine Möglichkeit, weil wir die Adresse von der nicht haben, um sie aufzusuchen.«
»Und wenn ich nach Düsseldorf fahren würde, Frank?«
»Wozu?«
»Um sie aufzustöbern.«
»Wie denn?« antwortete Frank unwillig. »Dir fehlt doch die verdammte Adresse. Wie oft soll ich dir denn das noch sagen?«
»Ich müßte versuchen, bei der Post anzuhebeln.«
Frank schwieg sekundenlang verblüfft, dann stieß er hervor: »Absoluter Blödsinn!«
»Wieso?«
»Weil du dir an denen die Zähne ausbeißen würdest.«
»Wer sagt mir denn das?«
»Ich sage dir das, Werner. Das sind doch Beamte. Sture Böcke.«
»Nicht alle.«
»O doch.«
»Die mögen früher ausnahmslos alle so gewesen sein – heute nicht mehr.«
»An ihre Vorschriften halten die sich auch heute noch, Werner.«
»Natürlich müßte man«, sagte Werner Ebert, der von seiner Idee
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