Spiel der Herzen
ja noch ein Weilchen hier sitzen bleiben.«
Aus dem ›Weilchen‹ wurden Stunden, bis Mitternacht schon vorbei war. Erst die Sperrstunde gebot auch den letzten Aufbruch, zu denen Frank und Werner gehörten. Zusammen mit dem Tankwart und dem pensionierten Briefträger, die sich beide an der Theke die Beine in den Leib gestanden hatten, räumten sie das Lokal. Von dem Briefträger schien Frank eine vage Vorstellung zu haben, denn er sagte, auf ihn zeigend, mit schwerer Zunge zu Werner: »Soviel ich weiß, hat der … der mit der Post … zu tun.«
»Dann kann ich ihn ja fr … fragen«, antwortete Werner ebenso mühsam, »wieviel ich in Düssel … Düsseldorf anlegen muß.«
»Zw … zwecklos.«
»Warum?«
»Weil Düsseldorf eine … Großstadt ist … und einen ganz anderen Ta … Tarif hat als Heidenohl.«
»Das stimmt.«
Draußen mußten sich die beiden trennen, da sie verschiedene Wege nach Hause hatten.
»Wo wohnt deine Sekr … Sekretärin?« fragte Werner.
»In der neuen Siedlung. Warum?«
»Schade, das ist mir zu … weit. Gruß an Hel … Helga. Weck sie … sie aber nicht.«
»Nein. Sie braucht … auch ihren … Schlaf.«
Frank hatte zwar zu Werner gesagt, daß er seinen ersten Brief an die ihm unbekannte Partnerin in Düsseldorf nicht eher schreiben werde, als bis feststünde, daß dies Sinn und Zweck habe; er war auch am nächsten Tag noch der absoluten Überzeugung, daß nichts anderes für ihn in Frage käme, aber dann dauerte es doch nicht mehr lange, bis sein Entschluß wankend zu werden begann. Mehr und mehr trat Frank dem Gedanken näher, einen Text mit dem Namen ›Entwurf‹ zu verfassen. Die beste Gelegenheit dazu bot sich ihm zu Hause, wo er aufgrund der Abwesenheit Helgas völlig ungestört war. Dort war er also am übernächsten Tag so weit, daß er sich hinsetzte und folgendes zu Papier brachte:
Sehr verehrte gnädige Frau! Als Freund der schönen Künste, denen ich als leidlich begabter Architekt mein halbes Herz bis zur linken Herzkammer verpfändet habe (die andere Hälfte gehört den prosaischen Dingen des Lebens: gutem Essen, mäßigem Trinken, Reisen, nicht zuletzt auch dem Beruf), hatte ich Gelegenheit, Ihren Roman zu lesen, den Sie dem Omega-Verlag eingesandt haben. Sie wissen das ja inzwischen schon von Herrn Ebert, dem zuständigen Redakteur des Verlages. Er ist mein Freund. Welche Rolle er mir zugedacht hat, ist Ihnen deshalb auch schon bekannt. Was halten Sie davon? Schreiben Sie mir das, ja?
Wenn Sie mich fragen, was ich davon halte, so muß ich sagen, daß mir nicht recht wohl ist in meiner Haut. Und warum das? Weil ich nun mal kein Schriftsteller bin. Im ersten Moment habe ich, als der Vorschlag von Herrn Ebert kam, glattweg abgelehnt. Ich fragte mich sogar, ob er noch ganz dicht sei – verzeihen Sie, daß ich das so offen sage. Kennt man diese Redewendung auch in Damenkreisen? Aber dann, im zweiten und dritten Moment … nun, Sie sehen ja, daß er sein Ziel erreicht hat. Ich begann, der Sache den nötigen Reiz abzugewinnen.
Sind Sie geborene Düsseldorferin? Ich selbst bin geborener Hamburger und ging in Hamburg auch zur Schule (einschließlich Hochschule). Was ich beruflich mache, erwähnte ich schon. Heute lebe ich in Heidenohl und unterhalte da ein Architekturbüro …
Franks Kugelschreiber erlahmte vorübergehend. Der Grund war der, daß Frank dachte, daß nun der Anlaß erwähnt werden müßte, der zur Übersiedlung von Hamburg nach Heidenohl geführt hatte. Er fragte sich aber: Ist denn das so wichtig?
Die Antwort, die er sich selbst gab, lautete: nein.
Er schrieb weiter:
Sie sind natürlich noch nie in Ihrem Leben in Heidenohl gewesen, gnädige Frau. Es ist ein kleines Städtchen, das seine Reize aus der engsten Nachbarschaft mit der großen Heide bezieht. Darauf läßt ja schon der Name schließen. Ich will aber gar nicht versuchen, Ihnen sozusagen die Zähne lang zu machen nach einem Ort, den es in Ihrer Vorstellung bis jetzt noch gar nicht gegeben haben kann. Das von einer Düsseldorferin zu erwarten, würde auch auf den gleichen Dachschaden hinweisen, den ich im ersten Moment meinem Freund zugeschrieben habe, als er mir den Briefwechsel mit Ihnen vorschlug.
Nun möchte ich meine ersten Zeilen an Sie schließen und der Hoffnung Ausdruck geben, daß es nicht die letzten sind (was von Ihnen abhängt) und wir uns gegenseitig – bitte bildlich – fruchtbar anregen.
Ihr ergebener Frank Petar
PS: Bei nochmaliger Durchsicht des Briefes stellte ich
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