Spiel der Herzen
in Heidenohl?«
»Ja.«
»Wo? Am Bahnhof?«
»Nein, inzwischen im ›Weißen Schimmel‹. Der ist dir ja ein Begriff. Da wohne ich.«
»Seit wann?«
»Seit einer Stunde«, erwiderte Gerti. »Ich habe nur mein Zimmer bezogen, mich umgekleidet und bin hinuntergegangen zur Rezeption, um dich anzurufen.«
Der ›Weiße Schimmel‹ war Heidenohls bekanntestes Hotel. Diese Qualifikation besagte aber nicht allzuviel, da es insgesamt nur zwei nennenswerte Hotels in Heidenohl gab.
»Gerti«, erklärte Helga aufgeregt, »weißt du, was ich dir jetzt sage?«
»Was denn?«
»Daß du, wenn du nicht in fünfzehn Minuten bei mir auf der Matte stehst, gar nicht mehr zu kommen brauchst.«
»In fünfzehn Minuten?«
»Spätestens!« sagte Helga. »Also mach dich auf die Socken!«
»Also gut«, kicherte Gerti. »Ich werde mich beeilen.«
Sie und Helga waren zusammen in Heidenohl ins Gymnasium gegangen und unzertrennlich gewesen. Sie hatten zwar nicht die allerbesten Zeugnisnoten errungen, aber in puncto Schönheit schon als Teenager alle anderen ausgestochen. Helgas bestes Fach war Mathematik gewesen – merkwürdig genug für ein bildhübsches junges Mädchen. Gertraud Maier hatte sich im Zeichnen hervorgetan. Bis zum Abitur hatte es aber nur Helga gebracht, ihre Freundin war ein Jahr zuvor von der Schule geflogen. Sie war plötzlich schwanger gewesen – von ihrem Zeichenlehrer.
Ihre Eltern gaben sie damals an eine weit entfernte Privatschule im südlichsten Winkel Süddeutschlands an der österreichischen Grenze. Die Schwangerschaft wurde abgebrochen. Der Zeichenlehrer mußte den staatlichen Schuldienst verlassen. Schon nach wenigen Wochen zeigte sich bei Gertraud Maier, daß sie aus ihrem Fehler in Heidenohl gelernt hatte. Zwar war es wieder einer aus dem Schuldienst, von dem sie sich verführen ließ, aber nicht mehr vom Zeichenlehrer, sondern vom Besitzer des Internats. Der Zufall wollte es, daß er buchstabengenau auch Maier hieß. Ihm gehörten noch drei weitere über das Alpenvorland verstreute Privatschulen teuren Zuschnitts. Insofern hatte also Gertraud, wie gesagt, gelernt. Auch ihre zweite Schwangerschaft wurde wieder abgebrochen, wohlweislich aber erst nach ihrer Hochzeit mit dem Millionär. Er mußte sich folgendem Argument seiner frisch angetrauten Gattin beugen. »Sieh mal, Schatz, wenn ich das Kind kriege und es wird zehn, bist du sechzig. Sähe das nicht komisch aus? Nein, ich geh' zum Arzt.«
»Das hättest du mir aber auch schon früher sagen können«, brummte er.
»Wann?«
»Vor der Hochzeit.«
Die Ehe der beiden versprach also nicht das Beste. Kein Wunder – bei mehr als drei Jahrzehnten Altersunterschied. Die Trennung – wenn auch noch nicht die Scheidung – kam nach relativ kurzer Zeit, hauptsächlich angestrebt von der Gattin. Die Scheidung folgte dann bald.
Dies alles wußte aber Helga Petar noch nicht. Sie und Gertraud bzw. Gerti hatten sich, wie das so geht im Leben, aus den Augen verloren, nachdem der Skandal mit dem Zeichenlehrer die Freundin von der Schule in Heidenohl verbannt hatte. Und nun stand also das Wiedersehen der beiden vor der Tür …
Zwar nicht schon nach fünfzehn Minuten, aber nach einer knappen halben Stunde fielen sich die zwei in die Arme, küßten sich ab, Helga zog Gerti vom Hausflur hinein ins Wohnzimmer, dann umarmten sie sich noch einmal, lösten sich endlich voneinander und sagten beide wie aus einem Munde: »Laß dich anschaun …«
Das gegenseitige Urteil fiel zur Zufriedenheit aus.
»Du siehst blendend aus«, sagte Gerti.
»Und du erst!« meinte Helga.
»Dein Mann muß ein toller Bursche sein.«
»Wieso der?«
»Weil es ihm gelungen ist, sich ein solches Mädchen zu angeln.«
»Und der deine?« lachte Helga. »Oder bist du etwa noch gar nicht verheiratet? Das könnte ich mir allerdings, wenn ich dich so ansehe, gar nicht vorstellen.«
»Ich war es.«
»Geschieden?«
»Ja.«
»Erzähle.«
Das tat Gerti bereitwillig. Ihren Bericht fand Helga äußerst spannend. Wenn ihr etwas unklar erschien, stellte sie Zwischenfragen. Vor Helgas Augen tat sich ein ganz anderes Leben auf als ihr geruhsames in dem verschlafenen Heidenohl. Zum Schluß erklärte Gerti, daß die Trennung von ihrem Mann für sie etwas sei, das ihr ein Tor zu einem neuen Dasein aufgestoßen habe. Sie erhoffe sich das jedenfalls.
Daraufhin lag für Helga die Frage nahe: »Und was machst du jetzt?«
»Ich habe mir eine kleine Wohnung genommen.«
»Wo?«
»In
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