Spiel des Todes (German Edition)
geben, die nicht nur ein Autogramm von dir haben
wollen.«
Sie öffnete den Kofferraum. Clara nahm ihren bis oben hin gefüllten
Korb heraus.
Lola reichte ihr die Hand. Die Linke führte sie zum Ohr und spreizte
Daumen und kleinen Finger ab. »Wenn was ist, einfach anrufen. Kein Problem,
Clara. Wir sehen uns am Dienstag im Sender.« Im Weggehen drehte sie sich noch
einmal um. »Hältst du den Mann denn für gefährlich?«
»Gefährlich? Nein, für gefährlich halte ich ihn nicht. Ein bisschen
verrückt vielleicht.«
Emil stand auf kurzen, krummen Beinen in der Diele, als sie eintrat.
Hast du mir was mitgebracht?, schienen seine pechschwarzen Puppenaugen zu
fragen.
»Ja, hab ich«, sagte Clara leise und drehte den Schlüssel zweimal
um. Längst hatte sich Angst in ihr breitgemacht.
FÜNF
»Ich glaub, ich bin wieder schwanger«, flüsterte Mariele
Hummer, als sie aufwachte. Sie schlief immer mit dem Rücken zu ihrem Mann,
während er sie in den Armen hielt.
»Du spinnst«, flüsterte Uly schlaftrunken. »Es reicht.« Sie hatten
schon zwei.
Selbst jetzt, kurz nach dem Erwachen, gab er nichts auf ihre
Äußerung. Sein Blick saugte sich am Fenster fest. Der Himmel über Kitzbühel war
von einem transparenten, milchigen Ocker. Es sah aus, als würde es ein schöner
Tag werden, wie vorhergesagt. Er zog die Gardine zur Seite und öffnete das
Fenster.
»Notfalls lassen wir’s wegmachen«, sagte er. »Hauptsach, unsere
Society heut Abend passt.« Er warf einen Blick über die Schulter.
Mariele blätterte im Tyroler Journal.
* * *
Ein paar Marmorstufen führten zum Eingang des Kitzbichl. Als sie die
drittoberste erreicht hatte, glitt die breite Glastür auseinander. Clara Gray
betrat die mächtige Empfangshalle. Roter Spannteppich, schwere Kronleuchter,
Rezeption mit vier Personen besetzt, Säulen, wulstige Treppengeländer. Holz und
Silber und ein warmer Duft nach teurem Parfüm. Sonnenstrahl von rechts.
»Clara!«
Im Trichter des Sonnenstrahls stand Cary Grant!
Sie musste über sich selbst lachen. Sie hatte Uly Hummer nicht mehr
gesehen, seit er bei ihr in der Wendelsteinbahn mitgefahren war. Wie hatte die
Welt sich seither für sie verändert!
Sie hielt ihm die Einladung hin. »Wie komme ich zu der Ehre?«
Hummer zerfloss vor Charme. »Ehre? Ganz meinerseits. Ich fühle mich
geehrt, dass ein berühmter Fernsehstar wie Clara Gray meiner Einladung folgt.«
Er sah sich um und zog die Stirn in Falten. »Ich bin ja nur ein einfacher
Fußballer. Bist du ohne Begleitung da?«
Bevor sie noch antworten konnte, fasste er sie an der Hand und zog
sie mit. »Mei, ich darf doch Du zu dir sagen?« Die Falten auf der Stirn
verschwanden. »Ach geh, machmers net so kompliziert. I bin der Uly!«
Musik schallte durch die Halle von der Terrasse des Hotels herüber.
Hummer griff sich den auffällig dunkelblau Beanzugten, der mit breiter Brust
und Knopf im Ohr in kurzer Entfernung wartete. »Pit, führ die Dame zur
Terrasse.«
Als Clara dem Pit schon gefolgt war, rief Hummer noch hinterher:
»Und mach sie mit Heinrich von Stahl bekannt.«
Heinrich von Stahl ist Wirtschaftsjurist. Nicht irgendein Jurist, er
ist der einflussreiche Justiziar des großen FC Bavaria München, ohne den der Verein in allen Vertrags- und Finanzdingen
verloren wäre. Von Stahl hat eine klangvolle Stimme, schwere Augenlider und
eine Geiernase. Man möchte ihn für einen Fünfziger halten, doch im Februar hat
er seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert. Krawatte trägt er nur, wenn es sich
absolut nicht vermeiden lässt. Die Einladung bei Hummer hält er nicht für solch
einen Anlass.
Sein Sohn Rico, mit dem er sich – jeder ein Glas in der Hand – auf
der Terrasse des Kitzbichl unterhält, weiß um diese Eigenheiten seines Vaters.
Seit Vaters Scheidung vor x Jahren unternehmen sie im Sommer gemeinsame
Bergtouren und führen vertraute Gespräche.
Die Terrasse und ein Teil der angrenzenden Wiese waren voll mit
Menschen. Man stand an einer langen Bar und an den Stehtischen. Weiß gekleidete
Kellner boten gefüllte Tacos an, spanische Tapas und Satayspießchen, von denen
Erdnusssauce tropfte, und es wurde geraucht. Für die Swing-Combo – piano, guitar, bass, drums, vocals – war eigens eine kleine Bühne errichtet worden.
Man begrüßte es, nicht wieder die Rosi, den Luggi oder das Kitzsteintrio über
sich ergehen lassen zu müssen.
»Nein, nein«, beantwortete von Stahl die Frage seines Sohnes.
»Hummer ist okay. Sein Selbstbewusstsein ist zwar
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