Spiel des Todes (German Edition)
er
sie unmöglich für lesbisch halten. Dieses ironische Lächeln, mit dem er sie
bedachte, dieser gewollt jungenhafte und charmante Blick, das waren Werkzeuge,
eine Frau zu erobern, nicht sie zu verschrecken. Obwohl Maria bisher nur einen
einzigen Freund gehabt hatte, hatte sie ein tiefes Gespür dafür, was Männer
wollten. Sie und lesbisch! Eher würde sie einem Fisch den Kopf abbeißen. Eher
für immer auf den Bauernhof ihrer Eltern ziehen.
Als sie in die Bierstube kam, hatte er bereits an dem blank
gewienerten Holztisch neben dem grünen Kachelofen von 1883 Platz genommen und
telefonierte.
»… Nein, sie ist genau die Richtige, wenn ich dir’s sag. Gut
aussehend, Sex-Appeal, schlagfertig, bewegt sich gut.«
Sie bestellte Kaffee, er ein Weißbier. Beide schwiegen. Er zog einen
kleinen Block aus der Innentasche der Jacke, befeuchtete den Zeigefinger und
blätterte.
Sie beobachtete ihn, während er das Papier durchging. Alter Ende
vierzig aufwärts. Durchtrainierter Körper, dienstagabends und
samstagnachmittags Tennis. Braunes, viel zu dünnes Lederjäckchen mit einem
Modelabel an der linken Brustseite, das sie nicht kannte. Designerjeans.
Leichtes Grübchen am Kinn. Teures Rasierwasser. Gepflegte Hände. Graue,
lebendige Augen.
Uly Hummer, Präsident des FC Bavaria München. Dass sie den einmal so aus der Nähe zu sehen bekam. Was wollte
er von ihr? Nur flirten? Wo er sie doch für eine Lesbe hielt? Was wollte er
überhaupt hier oben? Sie hatte nur die Nachricht erhalten, der große Uly Hummer
wünsche im Führerhaus der Wendelsteinbahn mitzufahren.
Hummer hatte seinen Block fallen gelassen, den Blick gehoben und sah
Maria in die Augen. Geschmolzene Schneeflocken glitzerten in ihrem Haar, ihre
Augen blitzten nur so vor Gesundheit und guter Laune. Sie strahlte eine naive
und urwüchsige Sinnlichkeit aus, die einen Mann durchaus in Schwindel versetzen
konnte.
»Hast du ghört, was ich grad am Telefon gsagt hab?«, fragte er in
gutem Münchnerisch.
Maria fiel auf, dass die grauen Augen hart wie Kieselsteine geworden
waren. Es war ein Ausdruck, wie sie ihn noch nie in einem Gesicht gesehen
hatte. Mal sehen, was kommt, dachte sie.
»›Gegen den Wind‹«, sagte er. »Schon mal gehört? Nein? Na ja, wie
auch. Sie suchen die Hauptdarstellerin für diese Soap. Ein Mädel, das auf dem
Reiterhof des Vaters aufwächst und seine Homosexualität entdeckt. Da würdest du
genau reinpassen. Das hab ich dem Dieter auch gesagt. Klar, dass du nicht
selber lesbisch bist, das merkt man auf den ersten Blick.« Er musterte sie
ausführlich von oben bis unten. »Aber du könntest eine spielen.«
Maria errötete ein wenig. »Also ich soll die Hauptrolle in ›Gegen
den Wind‹ spielen. Und was ist die Gegenleistung?«
Hummer entblößte seine beiden Zahnreihen. »Hahaha. Du kannst mit mir
schlafen oder mit dem Dieter. Aber du musst nicht. Du musst nur beim Casting
auftauchen. Und dann schaumermal.« Wieder zückte er sein Mobiltelefon und gab
eine Nummer ein. Maria schielte hinüber und registrierte die Vorwahl 089 für
München.
Die Bierstube um sie herum hatte sich mit Menschen mit winterblassen
Gesichtern gefüllt. Es wurde laut. Die Sternsinger wanderten von Tisch zu
Tisch. Genau wie sie selbst damals in Kindertagen zur Winterzeit. Sie aber
mochte am liebsten den Frühling. Marias Gedanken wanderten für eine Minute
zurück zum Hof ihrer Eltern.
Vor dem Haus und unter der Veranda blühen riesige
Rhododendronbüsche. Eine Rasenfläche senkt sich abwärts zu dem Feld, auf dem
die Obstbäume in früher Blüte stehen und ein paar Schafe weiden. Ihr Elternhaus
ist wie eine Burg, erbaut aus dem Gestein der Gegend, das über Generationen
hinweg durch Wind, Sonne, Regen und Schnee zu einer undefinierbaren Farbe
zwischen Mausgrau und Maisgelb verwittert wäre, wenn Vater es nicht vor einem
Jahr gestrichen hätte, sodass es nun in frischem Weiß erstrahlt. Der Hof steht
in einer Mulde, den Bergwald im Rücken, über einen Kilometer entfernt von den
anderen Häusern des kleinen Dorfs. Im Erdgeschoss ist eine kleine Holzkapelle
an das Haus angebaut. Abgesehen von drei ausladenden Holzbänken und einem
breiten Steinquader, der einst als Altar diente, ist die Kapelle leer. Manchmal
stellt Maria einen frischen Strauß Blumen auf den Stein.
Gapperding ist der Name dieses Einödhofs, auf dem Maria Schwarz
aufwächst.
Es ist Sonntag. Ihr Vater, in ledernen Kniebundhosen, Hosenträgern
und einem warmen Wolljanker um die Schultern,
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