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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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zur selben Minute zuerst mich, dann Sie an? Und was
ist sein Motiv? Haben Sie das schon einmal überlegt?« Ab und zu gelang es ihm,
seine Apathie mit Fragen wie diesen zu überspielen.
    Rico wirkte belustigt. Er zupfte an der Krawatte. Heute war die
Grundfarbe ein gedecktes Gelb, mit kleinen Leoparden darauf.
    »Sie sind nicht ganz im Gleichgewicht, Herr Ottakring. Selbst wenn
uns der Anrufer nur einen Streich spielen wollte, müssten wir seiner Andeutung
doch nachgehen, oder? Ich für meinen Teil halte den Anruf durchaus für seriös.
Was war ihr Eindruck?«
    »Sterben müssen wir alle«, sagte Ottakring. »Aber ich möchte selbst
bestimmen, wann, wo und wie.«
    Rico betrachtete den Kriminalrat mit zugekniffenen Augen. Alkohol?
Drogen? Er verwarf die Idee. Er hat Stress, sagte er sich. Er macht sich große
Sorgen. Er lebt in wahnsinniger Angst um seine Frau. Oder macht er gar gerade
die Entwicklung vom jugendlichen Helden zum komischen Alten durch? Der Kollege
hatte es verdient, etwas aufgemuntert zu werden.
    »Wir haben die Suche nach Tirol und nach Nordbayern ausgeweitet«,
setzte er an. »Mal sehen, wie viele blaue Kastenwagen es dort gibt. Stärkt das
ihr Gleichgewicht?«
    Ottakring schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Gleichgewicht?
Gleichgewicht. Ich war seit meinen ersten Schultagen nicht mehr im
Gleichgewicht. Absolut nicht.«
    »Sicherheitsdirektion Niederösterreich in St. Pölten, Hauptmann
Homacz. Hab ich Sie jetzt endlich in der Leitung, Kollege Stahl?«
    Rico lehnte sich zurück und wischte ein paar imaginäre Staubkörner
von der Schreibtischplatte. »Ja«, sagte er. »Ja«, sonst nichts. Was wollten die
Österreicher von ihm? Ein Hilfeersuchen?
    »Wen haben Sie denn da als Telefonempfangschef eingesetzt? Das war
vielleicht ein Witzbold.«
    Aha, der Huawa, dachte Rico. Manchmal etwas umständlich. Aber treu
und gewissenhaft.
    »Nicht weswegen Sie jetzt vielleicht denken, ruf ich an, Kollege«,
fuhr der Anrufer mit starkem Wiener Akzent fort. »Kein Hilfeersuchen. Mir ist
da nur was aufgefallen. Stichwort ›blauer Kastenwagen‹.«
    Rico straffte sich in seinem Sitz und nahm das rechte Bein von der
Tischplatte. Das unbarmherzige Kunstlicht der Deckenlampen mischte sich mit dem
Dämmerlicht eines nebligen Vormittags.
    »Gut! Was wissen Sie?«
    »Ich will’s Ihnen sagen. Sie haben einen Entführungsfall, und Sie
verdächtigen den Besitzer eines blauen Kastenwagens. Die Frau Ihres Vorgängers
ist verschwunden. Mit dem Ottakring hab ich vor Jahren zu tun gehabt, als er
noch in München war. Ziemlich leiwand, der Mann. Und jetzt sucht ihr seine
Frau. Bisher ohne Resultat. Korrekt?«
    »Korrekt.«
    »Passen Sie auf«, sagte der Österreicher. Kurze Pause. »Wir haben
einen ähnlichen Fall. Ein fünfzehnjähriges Mädchen wurde auf offener Straße in
einen blauen Kastenwagen gezerrt. Das war genau vor eineinhalb Wochen. Wir
haben dreiundzwanzig Besitzer blauer Kastenwagen befragt. Einen hatten wir
verdächtigt, einen Handwerker. Aber es hat sich als Irrtum herausgestellt. Wir
schließen Menschen- und Organhandel nicht aus.«
    Rico Stahl konnte spüren, wie sich elektrische Ladungen aus allen
Enden seines Körpers entluden.
    »Dann haben Sie sicher auch die Namen und Adressen festgehalten«,
hakte er vorsichtig nach. »Dreiundzwanzig, sagen Sie? Wir haben unübertrieben
über tausend untersucht.« Er hielt kurz inne. »Was dagegen, wenn ich nach Wien
fliege? Würden Sie mich abholen lassen?«
    »Das wär mein Vorschlag gewesen, Kollege, küss die Hand. Wann kommen
Sie?«
    »Ich ruf zurück, sobald ich’s weiß.«
    Lewandowskis Anruf alarmierte Rico Stahl auf dem Weg zum Flughafen.
    Der nächste Flieger nach Wien wäre in der zweiten Nachmittagshälfte
gestartet. Das war ihm zu spät gewesen. Via Handy hatte er kurzerhand eine
Cessna gechartert, die vollgetankt im General-Aviation-Teil des Münchener
Flughafens geparkt war. Er hatte geplant, die Donau entlang, an Kloster Melk
vorbei, Wien Airport anzusteuern. Dort würde Homacz ihn abholen lassen.
Manchmal zahlte es sich eben aus, wenn man Boots-, Segel-, Lkw- und
Flugzeugführerschein besaß.
    Doch ein Leichenfund, wie Lewandowski ihn beschrieb, stoppt alle
anderen Vorhaben. Rico kehrte sofort nach Rosenheim ins Präsidium zurück. Kurz
hinter Ramersdorf, nachdem er die A 8 befahren hatte, ließ er sich mit
Ottakring verbinden. Er erklärte ihm die Situation. Er müsse sich sofort um den
gemeldeten Fall kümmern und könne unmöglich weg.
    »Sie

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