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Spiel des Todes (German Edition)

Spiel des Todes (German Edition)

Titel: Spiel des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannsdieter Loy
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Tür war auf der anderen Seite, die Spüle war aus
Emaille, nicht aus Chrom, auch der Fußboden war irgendwie anders.
    Hatte man sie an einen anderen Ort gebracht? Hatte man sie vorher
betäubt? Sie fuhr sich mit den gefühllosen Händen übers Gesicht und sammelte
ihre Gedanken. Irgendwie hatte ihr Gehirn mitgezählt, und sie bildete sich ein,
dass mehrere Tage vergangen sein mussten.
    Das Rad an der Innenseite der Tresortür begann sich zu drehen.
    Wenig später kam der mit dem Pockengesicht gebückt herein und
stellte ein Tablett auf den kleinen Schreibtisch. »Da! Essen! Trinken!«
    Unter Ächzen drehte sich Lola auf die Seite. »Haben Sie mich
verlegt?«, fragte sie. »Bin ich jetzt woanders? Welcher Tag ist heute? Und wie
viel Uhr?«
    Der Alte verzog keine Miene. Er deutete auf das Stück Fleisch auf
dem Teller, den Reis und das Gemüse. »Essen! Nicht sterben!«, sagte er in
kehligem Ton.
    »Ich kann mich kaum bewegen. Was haben Sie mit mir gemacht?«
    Statt einer Antwort streckte der Mann ihr beide Arme entgegen.
»Komm! Fallen!«
    Lola spürte gigantischen Hunger. Sie schaffte es, in eine sitzende
Position zu gelangen, und rutschte von da nach unten, den Armen entgegen.
    Er ließ sie vorsichtig und korrekt zu Boden gleiten. Dann wandte er
sich wortlos um, der niedrigen Tür zu. Im letzten Moment sah Lola draußen eine
schwarze Mähne mit zugehörigem Seitenprofil aufblitzen. Zamira.
    »Geben Sie ein Zeichen, wenn Sie fertig sind, Frau Herrenhaus.«
    Sie stand gebeugt in der schmalen Tür und zeigte zur Kamera im
Deckenwinkel. Glitzerreif im Haar, enge schwarze Hose, pinkfarbenes Top. »Sie
können fernsehen, wenn Sie wollen. Dann wissen Sie auch, wie spät es ist. Ja,
wir haben Sie verlegt. Zu Ihrer eigenen Sicherheit.« Dann verschwand sie, die
Stahltür schloss sich.
    Zu meiner Sicherheit? Was meint sie, verdammt? Lolas Gedanken
wiederholten sich zum hundertsten Mal. Warum war sie überhaupt entführt worden?
Was verbarg sich dahinter? Sie war gut behandelt worden, hatte aber von außen
nichts mitbekommen. Sie wusste nichts von Lösegeldforderungen – an wen auch? –
oder anderen Erpressungsgründen, hatte keine Kenntnis davon, ob nach ihr
gesucht wurde, ob sie schon auf ihrer Spur waren. Einer Sache aber war sie sich
sicher: Sie setzte volles Vertrauen in ihren Joe, den sie in dieser Zeit des
Eingesperrtseins vermisste wie nie zuvor.
    Als der Teller leer war, lehnte sie sich in ihrem Puppenküchenstuhl
zurück. Sie fühlte, wie sich ihr Herzschlag, ihr Atem beschleunigte und sich
selbst im Sitzen alles um sie zu drehen begann. Fliehkräfte wirkten auf sie
ein, als säße sie in einem Kettenkarussell und die Aufhängung wäre gerissen.
    »Hiiiilfe!«, schrie sie verzweifelt und winkte wie verrückt in die
Kamera. »Hiiiilfe! Ich ersticke!«
    * * *
    Als Ottakring das Polizeigebäude in Wien verließ, ging ein
beharrlicher Regen nieder. Er mietete einen Wagen der unteren Mittelklasse,
ließ sich einen Schirm geben und erkundigte sich nach dem Namen des
stellvertretenden Bürgermeisters von Bad Vöslau. Er ließ ihn sich zweimal
nennen und forschte noch ein drittes Mal. Das Gemeindeoberhaupt hörte auf den
schönen Namen Stephansdom. Egidius Stephansdom. Der Kriminalrat fragte sich
einen Augenblick lang, ob er einen Mann dieses Namens je zum Gemeinderat
gewählt hätte.
    Er griff zum Handy. »Huawa, ist die Frau Toledo da? Ja? Dann
verbinden Sie mich! Aber dalli!«
    Er sprach, ohne die Augen von dem Gesicht abzuwenden, das vor seinem
inneren Auge erschien. Chilis Gesicht. Braune Mandelaugen, sanfter Mund,
schmale, elegante Nase, der Teint einer Latin Loverin. Etwas wie Erkenntnis
huschte über seine Miene. Er erlaubte sich ein winziges Lächeln. Rico Stahl,
der Neue, der war genau Chilis Typ.
    »… hallo, Chef«, hörte er aus der Ferne. »Hallo!«
    »Was ist, Huawa!«, rief Ottakring barsch aus. »Sie sollen mich mit
Frau Toledo verbinden! Dalli!«
    Dann war sie am Telefon.
    »Hallo, Chili …«
    »… du noch nicht gehört? Clara Gray wurde ermordet. Wahrscheinlich
jedenfalls. Wir haben die Leiche …«
    Unwillkürlich glitt seine Hand prüfend vom Kragen an den Mund.
Tatsächlich: Er stand offen. Reiß dich zusammen, Ottakring. Hilf deiner Frau!
Toten kannst du nicht mehr helfen.
    Erst Sekunden später hatte sein Großhirn die Nachricht verarbeitet.
    »Clara? Clara Gray?«, wiederholte er. Lolas Freundin. Mein Gott!
Damit würde er Lola verschonen müssen. Er schüttelte sich und versuchte,

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