Spiel des Todes (German Edition)
Ottakring. »Mich würde freilich interessieren …«
»Warum Sie hier sind? Warten Sie!«
Ottakring stellte sich hinter den Operateur und sprach leise mit
ihm. Das Bild verschwamm, wanderte weiter, stoppte.
»Da!«, rief Lola Herrenhaus. Das Haar fiel ihr über die Augen. Mit
einer entschlossenen Bewegung warf sie es nach hinten und deutete auf das
stehende Bild. Es zeigte die erste und zweite Reihe am Ring, eingeblendet in
die Pause zur vierten Runde.
Clara Gray saß in der ersten Reihe. Sie warf die Hände über den Kopf
und jubelte.
Rico Stahl stieß mit gespitztem Mund einen Pfiff aus.
»Alles klar?«, sagte Ottakring und sah Rico belustigt an. »Weiter.
Spielt mal die neunte Runde ein. Direkt nach dem K.o.«
Nun war die Kamera direkt auf Bagrat Robinson gerichtet. Im selben
Augenblick, als er in Großaufnahme als Sieger verkündet wurde, warf er einen
Handkuss ins Publikum. Die Kamera schwenkte in die erste Reihe auf …
»Clara Gray!«, rief Rico Stahl. »Und sie schickt ihm den Handkuss
zurück!«
Ottakring nahm rittlings vor Rico Platz. In seine Augen oberhalb der
schweren Tränensäcke trat ein eigentümlicher Ausdruck. Mit einem schwachen
Lächeln versuchte er, der Sache einen scherzhaften Anstrich zu verleihen.
»Absolut«, sagte er behäbig, »Clara Gray wurde ermordet. Ich
vertrete die existenzialistische Auffassung, dass jeder Mensch den Weg, dem er
in seinem Leben folgt, selbst wählt und zu verantworten hat. Dieses Video
stammt vom 9., gut zwei Wochen vor ihrem Tod.«
Zuerst musste sich Rico Stahl durch den Münchener Innenstadtverkehr
kämpfen.
Kurz vor der Autobahnauffahrt in Ramersdorf stritten sich mitten auf
der Rosenheimer Straße drei Hunde um ein undefinierbares Bündel. Aus einem
Wohnwagen mit italienischer Nummer, der am Straßenrand parkte, kam ein kurzer,
dicker Mann gerannt und riss das Bündel an sich. Es entpuppte sich als ein
verdreckter Teddybär ohne Kopf und mit nur einem Arm. Die Hunde folgten ihm
knurrend und schimpfend und räumten die Fahrbahn.
Endlich gelang es Rico, die Hände vom Lenkrad zu lösen und eine
Ad-hoc-Konferenz im Präsidium zusammenzurufen. Bruni hatte ihn informiert, es
gebe Fakten. Er war froh, wieder den schneebedeckten Rundungen und Zacken der
Tiroler Alpen entgegenzufahren. Gegen Mittag öffnete sich der Schlagbaum zum
Innenhof des Polizeipräsidiums.
Der Besprechungsraum, noch immer nicht ausgesprochen üppig
ausgestattet. Zwölf mal dreieinhalb Meter, drei Fenster, Tische, Stühle, Pult,
alles aus heller Kiefer, moderne Projektionsanlage, Espressomaschine.
Obwohl keiner von ihnen eine ausreichende Nachtruhe gehabt hatte,
wirkten alle entschlossen und energiegeladen. Allen war klar, dass der Fall
kompliziert war. Jede Person, die sie als verdächtig eingestuft hatten, hatte
ein Alibi für die Tatzeit. Es kam also vorerst im Wesentlichen auf Indizien an.
Rico Stahl machte einen entschlossenen Eindruck. Seine Lippen waren
ein Strich. Der Anzug war der Bedeutung des Anlasses entsprechend dunkelgrau,
die Krawatte von einem eisigem Blau.
»Toledo!«, bellte er. »Bruni. Herr Huber. Was gibt’s Neues?
Wichtiges? Entscheidendes?«
Die Andeutung, die sexy Stella im Aufzug des Funkhauses gemacht
hatte, saß ihm noch immer in den Knochen. »Kleine Schlampe«. Hing ihre
Bemerkung mit dem Boxer zusammen, diesem Robinson? Es war offensichtlich, dass
Robinson und Clara sich kannten, sehr gut sogar. Diese Info wollte er jedoch
für sich behalten, bis er die Sachlage recherchiert hatte oder bis sich während
der Besprechung etwas Neues ergab.
»Was die Ermordete, Clara Gray selbst, alles in ihrem Leben erlebt
hat, können wir nur vermuten«, begann Chili. »Doch aus den bisherigen
Gesprächen, den Fakten und den Akten kann ich es mit etwas Phantasie
nachvollziehen, ohne rot zu werden.«
»Es gibt erstaunlich wenige Hinweise«, sagte Bruni mit Bedauern.
»Die Männerkleidung, die wir gefunden haben, ist eindeutig von Luger. Auf den
sichergestellten Fotos ist entweder Luger oder Hummer zu sehen. Mit alldem
kommen wir nicht wirklich weiter.«
Er tippte auf den Inhalt des Aluminiumkoffers, der mit aufgeklapptem
Deckel neben ihm am Tisch lag, und äußerte sich über ihre Routineergebnisse wie
Fingerabdrücke und sonstige Spuren.
»Alles unauffällig. Es gibt natürlich eine Anzahl Fußspuren, eigene
und fremde. Eine ist uns besonders ins Auge gefallen. Sie ragt im wahrsten Sinn
des Wortes heraus. Ein Männerfuß mit Schuhgröße
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