Spiel um Sieg und Liebe
ihrem Verstand zu gehorchen und nicht ihrem Gefühl – bis zu jenem Tag im Mai.
Tad hatte fünf Sätze gebraucht, bis er seinen Gegner niedergerungen hatte. Die Italiener auf den Rängen hatten ihn zuerst erbarmungslos ausgepfiffen, aber als sie dann im Laufe des verbissen geführten Spiels merkten, dass er alles gab, sich nicht schonte und bis zum Umfallen kämpfte, hatte er schnell ihre Sympathie und lautstarke Begeisterung gewonnen.
In der Nacht nach diesem Spiel hatte Amy ihre Unschuld verloren. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte nicht der Verstand gesiegt, sondern sie hatte sich völlig ihren Gefühlen untergeordnet. War sie bis dahin so stolz darauf gewesen, sich beherrschen zu können, so lernte sie in jener Nacht, wie wundervoll es war, sich in Tads leidenschaftlicher Umarmung zu verlieren.
Während Amy frühmorgens auf dem Trainingsplatz stand, kamen die Erinnerungen zurück. An wilde, zärtliche Nächte, an Stunden voller Lachen und Neckereien. Die Erinnerungen waren bitter und doch so süß, dass sie sich nicht davon befreien konnte.
»Wenn du heute Nachmittag genauso unkonzentriert bist, wird die Kingston dich vom Platz fegen.«
»Oh, es tut mir leid«, schreckte Amy plötzlich auf.
»Das sollte es auch, wenn eine alte Frau morgens um sechs aufsteht, um mit dir zu trainieren, du aber mit deinen Gedanken ganz woanders bist.«
Amy lachte. Auch mit dreiunddreißig war Madge Haverbeck auf der anderen Seite des Netzes immer noch eine Gegnerin, die ihr das Leben schwer machen konnte. Zweimal hatte sie im Laufe ihrer Karriere Wimbledon gewonnen – nicht zu zählen die anderen Siege bei Turnieren auf der ganzen Welt. Zwei Jahre lang hatten Madge und sie sehr erfolgreich Doppel gespielt, und Amy dachte gerne an diese Zeit zurück. Madges Mann war Professor für Soziologie an der Yale Universität, und wenn sie von ihm sprach, nannte sie ihn immer nur den »Professor«.
»Nun, alte Frauen sollten auch nicht auf dem Tennisplatz stehen«, neckte Amy sie lächelnd. »Geh lieber in die Cafeteria und trink einen Kaffee mit viel Milch.«
Madge gab keine Antwort, aber stattdessen kam der nächste Ball mit einer solchen Wucht über das Netz, dass Amy alle Mühe hatte, ihn richtig zurückzubringen. Jetzt war ihr Ehrgeiz geweckt, die Gedanken an Tad waren in den Hintergrund gedrängt, für sie existierte nur noch Tennis.
Madge hatte nicht vor, ihr einen ruhigen Morgen zu gönnen. Sie gestaltete ihr Spiel so variantenreich, dass Amy gezwungen war, über den Platz zu hetzen. Zurück zur Grundlinie, auf die andere Seite, dann wieder ans Netz. Die Bälle flogen ihr nur so um die Ohren, und sie musste ihr ganzes Können einsetzen, um dem standzuhalten.
Der Boden auf den Plätzen hier in Rom behagte ihr überhaupt nicht. Für einen schnellen, aggressiven Spieler war der sandige Untergrund viel zu langsam. Auf diesem Boden waren Kraft und Ausdauer mehr gefragt als Spritzigkeit und Schnelligkeit. Amy war froh, dass sie bei der Vorbereitung auf dieses Turnier sehr viel Wert auf Krafttraining gelegt hatte. Das kam ihr jetzt zugute.
Madge konnte einem hart geschlagenen Return von Amy nur noch bedauernd nachsehen.
»Auch nach drei Jahren Pause bist du noch verflixt gut«, meinte Madge schwer atmend und mit anerkennendem Lächeln.
Amy holte tief Luft. »Danke, Madge, aber ich habe mich auch sehr intensiv vorbereitet.«
Madge hätte gern gefragt, ob sie während ihrer Ehe nie gespielt habe, aber sie kannte Amy viel zu gut, um ihr eine solche Frage zu stellen, auf die sie mit Sicherheit keine oder nur eine ausweichende Antwort bekommen würde. »Die Kingston spielt nicht gern am Netz. Denk dran, Amy, da kannst du sie packen.«
»Ich weiß.« Amy sammelte die Bälle auf und steckte sie in ihre Tasche. »Ich hab mir angesehen, wie sie spielt. Und ich schwöre dir, heute wird sie gar nicht erst zu ihrem Spiel kommen.«
»Aber sei vorsichtig, sie ist auf Sand besser als auf Gras.«
Amy sah auf und lächelte. »Das macht nichts. Glaub mir, nächste Woche stehe ich auf dem Centre-Court.«
Madge schlüpfte in ihre Trainingsjacke und lachte laut auf. »Mir scheint, dein Ehrgeiz ist noch der alte, oder?«
»Darauf kannst du dich verlassen.« Amy griff nach ihrer Tasche und ging hinüber zu Madge. »Und was ist mit dir? Wie willst du gegen Fortini spielen?«
»Ich werde sie in Grund und Boden spielen.«
»Oh, Madge, du hast dich auch nicht verändert.«
»Wenn du mir vorher gesagt hättest, dass du wieder zurückkommst,
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