Spielball Erde: Machtkämpfe im Klimawandel (German Edition)
Lizenznehmer inzwischen voraushaben.
Während unser Team Bilder einfängt, komme ich mit Chang Lie endlich ins Gespräch. Caroline Nath, unsere Producerin in China, übersetzt. Der junge Produktionsleiter sieht seine Arbeit hier nicht einfach als einen Job. Ihm ist schmerzlich bewusst, wie sehr Chinas wirtschaftlicher Aufstieg auf Kosten der Umwelt ging, ganz besonders brutal in der Inneren Mongolei, und er ist glücklich darüber, in einer Industrie zu arbeiten, die diese Verbrechen an der Natur hinter sich lässt. » Goldwind ist frisch wie der Sonnenaufgang«, strahlt er. »Wir sind ein junges Team und hoch motiviert. Wir wollen den Himmel über der Welt wieder blau machen. Und die Wolken weiß.«
Als wir die Fabrik verlassen, zeigt mir Caroline einen chinesischen Schriftzug auf der hohen Außenwand der Halle. Da steht derselbe Satz vom blauen Himmel und den weißen Wolken. Es ist der offizielle Werbespruch von Goldwind . Aber ich glaube nicht, dass Chang Lie ihn nur nachgebetet hat. Mich hat er überzeugt: Er meinte das so. Aber es gibt auch andere, und sie haben Macht.
Es war eines meiner wichtigsten Ziele in Baotou, die berühmt-berüchtigte Mine Bayan Obo zu filmen, gigantische Löcher, aus denen im Tagebau neben der Kohle jährlich mehr als 50000 Tonnen Seltene Erden gefördert werden – die Hälfte der Produktion Chinas und damit der Welt. Um es gleich zu sagen: Letztendlich durften wir nicht dort hin. Dabei kann ich mich nicht über die Behandlung beklagen, die die Stadtregierung und Baotou Iron and Steel uns angedeihen ließen. Die Offiziellen des zweistöckigen »Betriebsmuseums« – einer mit patriotischen Sprüchen geschmückten Leistungsschau des Konzerns – rollten uns den roten Teppich aus. Vor einem Denkmal im Eingangsbereich sang eine reizende, uniformierte Sopranistin – nach einer sehr ernsthaft vorgetragenen Einführung – für uns ein Lied auf die Bergarbeiter, das schon den Großen Vorsitzenden Mao beglückt hatte. Dann wurden wir in den großen Saal geführt, in dem – wie das in chinesischen Firmenzentralen üblich ist – unter Plexiglas ein Modell des Unternehmens ausgestellt war. Wegen der Ausmaße von Baotou Iron and Steel hatte dieses die Größe eines halben Volleyballfelds. Es zeigte eine weite, restlos zugebaute Industrielandschaft. Selbst in diesem Maßstab wirkten die braun-schwarzen Löcher, in denen sich die Modelle riesiger Bagger verloren, bedrohlich.
Näher als hier sollten wir der Mine jedoch nicht kommen. Das wusste ich da noch nicht. Ich war – wie oft in solchen Situationen – unsicher, in welchem Ton und mit wie viel Nachdruck ich bitten, drängen, fordern sollte. Wo war die Grenze zwischen Sich-abspeisen-Lassen und Unverschämt-Werden? Weder das eine noch das andere konnte zum Erfolg führen. Ich hatte versucht, mich zurückzuhalten. Aber als ich herausfand, dass die vage Zusage, wir würden »etwas« von der Mine zu sehen bekommen, sich allein auf dieses Modell bezog, verlor ich dann doch die Fassung. »Ich habe keinerlei Interesse an solchem Spielzeug«, schleuderte ich unserem offiziellen Betreuer in einem Ton entgegen, den Carolines höfliche Übersetzung nicht mehr ausgleichen konnte. Die Reaktion meiner Gastgeber war eine Mischung aus Beleidigtsein und Verständnislosigkeit. Gleich, beim Mittagsbankett, sei der Parteisekretär der Stadt unser Gastgeber, der könne solche Dinge entscheiden. Uns stand nach einem halben Drehtag ohne greifbare Ergebnisse überhaupt nicht der Sinn nach einem Bankett, aber offenbar war das unsere einzige Chance.
In dem modernen, heruntergekühlten mongolischen Restaurant bogen sich die Tische unter der Last von bestem Hammelfleisch, köstlichen Suppen und Gemüse, aber es war nicht die feste Nahrung, die im Mittelpunkt stand. Ständig wurde aus kleinen Karaffen, die jeder am Platz hatte, ein brutaler mongolischer Schnaps in Fingerhutgläschen geschenkt, die in geringfügig größerem Format als Massenvernichtungswaffen gegolten hätten. Jeder in der Runde – die auf mehr als ein Dutzend Teilnehmer angewachsen war – hatte einen Trinkspruch zum Besten zu geben, der von allen »ex« beantwortet wurde.
Der Herr Parteisekretär zeigte sich dabei in bester Laune und erzählte mir unverblümt von der Wende in Chinas Politik bei strategischen Rohstoffen. Der Wert der Seltenen Erden sei längst erkannt und die Zeit vorbei, in der China seine Konkurrenten in den USA und Europa damit großzügig belieferte. Nun müssten
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