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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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zurück – zurück zu den Momenten seines Lebens, als er sich noch für einen guten Menschen gehalten hatte, als ihm jeder Augenblick das Gefühl gab, als sei er mit irgendetwas durchgekommen, als er noch nicht zwanzigtausend Dollar vom Konto der Kirche klauen musste, damit er dieses Gefühl verspürte; zurück in die Zeit, in der sich jeder Moment wie ein Drink mit einer wunderschönen Frau an einer Bar anfühlte, in der er glaubte, dass seine Gebete noch etwas zählten, noch wichtig waren, als Beten noch einen Lichtstrahl hoch in den Himmel schickte, gleißend wie dieSonne, die am Ende eines Tages in der weiten Prärie durch die Wolken bricht, wie ein Lichtstrahl, der vom Bürgersteig vor dem Kodak Theatre bei den Oscar-Verleihungen aufsteigt. Luke fühlte sich nicht direkt verloren, aber auch nicht geborgen.
    In dem stummen Fernseher über der Bar lief ein Spot für irgendetwas Buntes, Nutzloses, das zweifellos dazu bestimmt war, die überbeanspruchten Mülldeponien des Planeten noch mehr zu belasten, und aus irgendeinem Grund machte ein computeranimiertes Rentier Rudolf die Werbung dafür. Luke meinte: »Rudolf, das rotnasige Rentier im Juli? Weihnachten im Juli brauchen wir so nötig wie ein Loch im Kopf.«
    Die hübsche Rachel sagte: »Sie meinen sicher Rudolf, das nützliche Rentier.«
    »Wie?«
    »Das ist Fakt, Luke. Wäre Rudolf nicht in der Lage gewesen, dem anderen Rentier zu helfen, hätten sie ihn zurückgelassen, und er wäre von Wölfen gefressen worden. Ich glaube, die anderen Rentiere hätten gelacht, während sich die Reißzähne in Rudolfs Hinterläufe bohrten. Rudolf war ein Ausgestoßener, der nur seiner Nützlichkeit willen wieder aufgenommen wurde. Das ist keine persönliche Einschätzung. Das ist eine Tatsachenfeststellung.«
    Luke schaute Rachel an. Er hatte das kribbelnde Gefühl, dass er womöglich gar nicht mit einem menschlichen Wesen sprach. War es einfach nur ihre Schönheit, die ihn verunsicherte, oder war sie wirklich nicht von dieser Welt? Vielleicht war sie auch das ersehnte Endprodukt der eugenischen Anstrengungen eines ganzen Jahrhunderts, den perfekten Körper zu schaffen, und nachdem nun dieses Ziel erreicht war, blieb es der Menschheit freigestellt, sich anderen perfektionierungswürdigen Dingen zuzuwenden. Er sagte: »Ich nehme an, Sie sind kein großer Fan von Weihnachten?«
    »Ich habe keine Glaubensvorstellungen im herkömmlichen Sinn. Ich mache mir auch kein Bild von meinem Leben nach dem Tod. Ichhabe versucht, mir einzureden, es gäbe ein Jenseits, aber das ist mir gründlich misslungen.«
    Alkohol löst die Zunge, und Luke wusste, dass er sich einem unorthodoxen Verstand gegenübersah. »Glauben Sie an die Sünde?« Während er es aussprach, fragte er sich, ob sie ihn wohl sexy fand. Er fragte sich auch, ob er vielleicht Chancen bei ihr hatte. Gleichzeitig schüttete sein Unbewusstes eine Folge zufälliger Bilder aus: das Untergeschoss der Kirche an einem Dienstagmorgen, erhellt vom kalten Sonnenlicht, das durch das Südfenster fiel, und verlassen wie Tschernobyl; Fetzen alter Kampfstern-Galaktika- Folgen auf seinem Fernseher, die er sich von der Küche aus ansieht, während er Campbell’s-Suppe direkt aus der Dose isst; drei Spatzen vor dem Schlafzimmerfenster, die sich um die Vorherrschaft auf dem Fenstersims streiten.
    Rachel meinte: »Ich glaube nur an menschliche Verhaltensmuster. Und ich finde, wenn dein Gehirn dich zwingt, an die Sünde zu glauben, sollte man zumindest ein Maßsystem für sie besitzen. Religionen haben offenbar keine Richterskala, die den Schweregrad einer Sünde bestimmt. Schon ein einziger Fehltritt, egal wie geringfügig, und man ist verdammt in alle Ewigkeit. Zudem finde ich es bemerkenswert, dass keine Religion so etwas wie Verantwortung für unsere Umwelt kennt.« Rachel brach ab. »Luke, ich habe den Eindruck, dass Sie einmal religiös waren, es jetzt aber nicht mehr sind. Liege ich da richtig?«
    Ein Teil von Luke wunderte sich über Rachels Sprachmuster: Sie sprach weder in einem Draußen- noch in einem Drinnentonfall – so etwa in der Art des Anruferleitsystems bei United Airlines: Die voraussichtliche Wartezeit auf den nächsten freien Mitarbeiter des Servicecenters von United Airlines beträgt … fünfundsiebzig Minuten . Der restliche Luke dachte an all die dunklen Geheimnisse, die er von seinen ehemaligen Gemeindemitgliedern kannte – nun durfte er sie ja ruhig als Ehemalige betrachten –, und an die Mitglieder seiner Familie

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