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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Rachel nun in der Cocktaillounge eines Hotels an einem steinalten Computer, der mit zahllosen Viren infiziert ist, die beim Hochfahren prompt ein münzenrasselndes Fenster mit einem Spielautomaten à la Las Vegas öffnen – nur dass die Symbole keine Früchte, sondern menschliche Vaginas zeigen – und dazu verlocken, sofort online die passende Frau kennenzulernen, nachdem man seine Visa-, Amex-, JTB - oder MasterCard-Nummer eingegeben hat. Eine schnelle Recherche ergibt, dass der Link zu einem Server in Weißrussland führt, statistisch gesehen nicht die beste Adresse, um dorthin seine Bankdaten zu übermitteln.
    Rachel ist nun bereit, ihre Suche nach dem Schatz der Mutterschaft anzutreten.
    Rachel sah den Barkeeper mit dem Sonnenbrand und fragte sich, wie alt er war. Er schien in passabler Verfassung zu sein, aber Rachel rief sich in Erinnerung, dass er als Angestellter dieses Etablissements wahrscheinlich eher nicht enthemmt und auf ein Sexabenteuer aus war. Der Barkeeper sprach mit einer Frau, die wie etwa sechsunddreißig aussah – vielleicht auch vierunddreißig, falls sie Alkoholikerin war. Es ist viel leichter, das Alter einer Frau zu bestimmen, da Mutter Natur bei Frauen weitaus großzügiger mit visuellen Anhaltspunkten umgeht. An der Theke saß auch noch ein Mann – Anfang dreißig? Offenbar in gutem Ernährungszustand, und Rachel versuchte sich klarzuwerden, ob er gutaussehend war. »Gutaussehend« ist das männliche Pendant zu schön, und bei Neurotypischen steht »gutaussehend« für überlegenes Genmaterial. Auch nach ihremlangjährigen Studium von InStyle , durch das sie die Sprache der Schönheit zu erlernen hoffte, ist Rachel nach wie vor nicht auf das Erkennen unterschiedlicher Attraktivitätsgrade geeicht. Andererseits hatte der Mann an der Bar, der seit seiner Ankunft bereits zwei Drinks getrunken hatte, zwei große Bündel Geldscheine in der Jackentasche. Rachel schloss daraus, dass er reich war und einem Kind ein gutes Zuhause bieten könnte.
    Der Mann schaute mehrmals zu Rachel herüber, während sie vor dem Computer saß. Sie interpretierte dies als sexuelles Interesse und wusste, dass sie nun am Zug war und ebenfalls Interesse signalisieren musste, also stand sie auf und schlenderte hinüber, wie es die Topmodels im Fernsehen machten.
    Rachel fand den Mann – Luke – aus der Nähe betrachtet ganz passabel. Luke hatte schon ein paar Drinks intus, daher wusste sie, dass er wohl schneller und häufiger lachen würde als in nüchternem Zustand, hoffte aber, dass er nicht lachen würde. Lachen war wie eine Interpunktion am Ende eines Satzes, der sie daran erinnern sollte, dass sie kein richtiger Mensch war. Ein abscheuliches Geräusch, fast so nervig wie Babygeschrei.
    Ein Werbespot im Fernsehen zeigte ein Rentier, daher schnitt Luke das Thema Rentiere an, und Rachel fand, sie sei damit ganz gut zurechtgekommen. Dann kam Religion zur Sprache, und sie meinte, sich auch dort gut aus der Affäre gezogen zu haben. Es entstand eine Gesprächspause, nachdem Luke etwas über Spatzen gesagt hatte, und Rachel schaute sich in der Bar um.
    Schließlich erkundigte sich Luke, was ihr heute so durch den Kopf gegangen sei, eine Frage, die selbst Rachel etwas unvermittelt erschien. Vielleicht war das dieses »Vorspiel«, von dem sie schon gelesen hatte.
    »Gehört diese Frage zum Vorspiel, Luke?«
    Luke grinste und gab beinah einen Lachlaut von sich, hielt ihn aber dann zurück, sehr zu ihrer Erleichterung. »Nee. Nicht zum Vorspiel. Unsere Kirche verliert immer mehr jüngere Gemeindemitglieder,darum hat man uns Broschüren gegeben, wie man mit jungen Frauen und Männern ins Gespräch kommt. In einer davon stand, dass Frauen diese Frage lieben, sie aber nie gestellt bekommen. Darum habe ich es gefragt.«
    Rachel konnte sich den emotionalen Anstrich von Lukes Stimme nicht ganz erklären. Verbitterung vielleicht? Stimmmodulationen zu entschlüsseln fiel ihr sogar noch schwerer, als Gesichter zu unterscheiden. Aber sie war beinahe paralysiert vor Wonne, weil man sie als Frau bezeichnet hatte, und dieses schöne Gefühl ließ sie unbefangener denn je drauflosplappern, als sie seine Frage beantwortete. »Ich hatte heute tatsächlich einen neuen Gedanken. Ich dachte über unsterbliche Figuren in Science-Fiction-Fernsehserien nach, deren Wunden, wenn man sie erschießt, schnell verheilen, worauf sie wieder lebendig werden. Oder denen ein Körperteil nachwächst, wenn sie es verlieren. Aber was ist, wenn sie

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