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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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schmuddeligen, dreckigen Hemd, um den Kopf den blutigen Verband. Er zog ein langes mit Pailletten besetztes Kleid heraus und hielt es vor den Jungen, um zu sehen, ob es ihm passte. Ich hörte Hiero lachen.
    Als sich Chip umdrehte, sah ich in seinem Nacken getrocknetes Blut von der letzten Nacht.
    Delilah redete weiter. »Eines Abends stand ich draußen vor dem Lincoln Gardens , als Lil Hardin rauskam. Kennen Sie die? Sie spielte Klavier in Olivers Band. Na ja, ist auch egal. Lou verlor mal für eine Weile den Verstand, und als er wieder bei Sinnen war, stellte er fest, dass er sie geheiratet hatte. Armer Lou. Aber das war später. Ich sah sie also rauskommen, und plötzlich überkam mich so eine total arrogante Hoffnung. Ich dachte, vielleicht ist Oliver da drin, und ich ging einfach rein.«
    »Klar. Das schüchterne Mädchen vom Land denkt, sein Idol ist in dem Club, und geht einfach rein. Kann ich mir gut vorstellen.«
    »Ich hab nie behauptet, dass ich schüchtern war.« Sie lächelte verschlagen.
    Ich lachte. »Und weiter?«
    »Er war tatsächlich da. Ich glaube, ich hab ihm gefallen.« Sie nippte an ihrem Glas, ihre Armreife klirrten leise.
    Ich beobachtete sie eine Weile, dann beugte ich mich vor.
»O nein«, sagte ich kopfschüttelnd. »So leicht kommen Sie mir nicht davon.«
    Sie lachte mit einem dunklen Glucksen.
    »Erzählen Sie, Delilah. Was haben Sie zu ihm gesagt?« Dass ich ihren Namen laut aussprach, kam mir so intim, so vertraulich vor, dass ich gleich wieder rot wurde. Ich schlug die Augen nieder und fischte einen Fussel aus meinem Schnapsglas.
    »Sie wollen wissen, was ich ihm gesagt habe?«, fragte sie.
    »Klar. Verraten Sie mir Ihr Geheimnis.«
    »Es interessiert Sie wirklich?«
    »Wie ein Mädchen aus Kanada den großen Durchbruch geschafft hat? Wen interessiert das nicht?«
    »Den großen Durchbruch«, murmelte sie, aber es klang ein bisschen düster. »Mein Ruhm reicht nicht mal von Paris bis Berlin.«
    »Na ja, wir leben hier in einer Seifenblase, wir kriegen überhaupt nicht mit, was in der Welt draußen passiert. Das wissen Sie doch.«
    Sie wirkte peinlich berührt, schaute mich nicht an.
    »Also«, sagte ich, »wie war das mit King Oliver?«
    Ein Lächeln ging über ihr Gesicht, als ob sie sich an etwas längst Vergangenes erinnerte. »Kennen Sie King Oliver? Ich meine, persönlich, aus der Nähe?«
    »Ich bin mal in seinem Taxi gefahren«, sagte ich. »Er war gerade erst ausgestiegen.«
    Sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Na ja, er hat ordentlich was auf den Rippen, ein ganz schöner Brocken, so ähnlich wie Fritz. Als ich reinkam und sie alle von hinten dastehen sah, wusste ich sofort, welcher er war; ich erkannte ihn schon an der Art, wie er die Schultern rollte. Aber er war
so was von fett ! Ich dachte, Mein Gott, der sieht ja aus wie ein Riesenbaby .
    Und da drehte er sich um und sah mich mit meinen sechzehn Jahren, und da lachte er und fragte, wer das Baby reingelassen hatte, und ich sagte: Wieso? Sie sind doch wohl alt genug, sich selber reinzulassen .«
    Ich grinste. »Jetzt flunkern Sie aber. Das glaub ich einfach nicht, dass Sie sich das getraut haben.«
    »Oh, das war noch nicht alles.« Sie lachte. »Er war überhaupt nicht beleidigt. Oliver hat eine Elefantenhaut. Er fragte mich, ob ich reingekommen sei, um was zu essen oder zu trinken, und da hab ich ihn so von oben bis unten angeschaut und geantwortet: Na ja, ich würde gern was essen, aber wenn ich Sie so sehe, fürchte ich, dass Sie schon alles bis zum letzten Krümel verputzt haben. «
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Der Typ neben ihm fing an zu lachen und konnte überhaupt nicht mehr aufhören. Das war Louis. Aber es war auch wirklich komisch. Da baute sich so ein schmächtiges Mädelchen vor dem alten King Oliver auf und riskierte eine dicke Lippe. Na ja, so war das. Oliver wusste nicht, was er mit mir anfangen sollte, aber Lou nahm mich mit zu sich nach Hause, gab mir was zu essen und einen Platz zum Schlafen. Er kümmerte sich um mich wie ein älterer Bruder.« Sie nickte versonnen und starrte hinunter auf den Jungen. »Lou hat mich gerettet.«
    Dieses dunkle Gefühl stieg wieder in mir auf. »So macht man das also, wenn man an die Großen dieser Welt rankommen will.« Ich lächelte verkniffen. »Man muss sie einfach nur grob genug anreden. Wenn das so ist, wird Chip es bestimmt noch weit bringen.«
    »Chip? Der geht seinen Weg, darauf können Sie sich verlassen.« Sie lachte.
    Ich warf ihr einen Blick zu. Sie

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