Spiels noch einmal
dich her zu uns.«
»Ich hab jetzt keine Zeit, Chip.«
»Wir müssen reden.«
»Herz-Sechs.« Paul beäugte stirnrunzelnd die Karte in seiner Hand. »Oder ist das eine Neun?« Er drehte die Karte um und glotzte sie angestrengt an. »Ich sag jetzt einfach mal, das ist eine Neun.«
»Was soll das, Mann?«, sagte Chip. » Pik ist angesagt.«
Paul goss noch etwas Schnaps in Chips Glas. »Du musst mit mir mithalten, sonst ist es unfair.« Er verschränkte wieder die Arme. Sein Kragen und die Manschetten hatten gelbe Schmutzränder.
Wir hatten keine Kleider zum Wechseln und fingen alle ein bisschen zu müffeln an. Chip hatte seine Sachen am Abend zuvor am Spülbecken gewaschen, aber die Blutflecken gingen nicht raus. An der Schulter von Pauls Jackett war eine Naht aufgerissen. Wir hatten nur einen Rasierapparat für alle. Unsere Gesichter waren voller Schnitte. Und zu allem Übel war es auch noch scheußlich kalt in dem Club. Draußen war Hochsommer, und wir waren in dieser Eishöhle gefangen und hatten auch noch ständig Angst.
Paul legte seine Karten hin. »Also los. Aber sei nicht so grob.«
Chip lächelte. »Jemanden rauszuschmeißen dauert zehn Sekunden. Für die Entschuldigung brauchst du zwei Stunden.«
»Wollen wir Sid mitspielen lassen? Er legt seine Karten immer offen auf den Tisch.«
»Witzbold«, sagte ich. »Ich passe.«
»Du passt schon dein ganzes Leben lang, mein Lieber.« Chip fuhr sich behutsam mit der Zunge über seine Schneidezähne. Die Schwellungen in seinem Gesicht gingen zurück, aber er sah immer noch aus wie ausgestopft. »Mann, ist doch nur Spaß. Komm schon, ich mach nur Spaß.«
»Er macht nur Spaß, Sid.« Paul schenkte mir einen ein und schob das Glas über den Tresen. »Setz dich, nimm Platz.«
Chip kicherte. »Weißt du, was du bist, Mann? Ein Volltrottel. Starrst die ganze Zeit den Jungen an, als wolltest du ihn im Schlaf erwürgen.«
»Was soll das?«
»Als wolltest du ihn umbringen wegen dieser faden Tussi mit den Wieselzähnchen.«
Paul lächelte. »Nur die Ruhe, Sid. Das braucht dir nicht peinlich zu sein.«
»Das soll ihm sehr wohl peinlich sein, dass er sich so anstellt!« Aber mit einemmal trat ein Ausdruck ängstlicher Besorgnis in Chips Gesicht, der mich ein bisschen erschreckte. »Weißt du, Sid, wir sehen einfach, wo das hinläuft: Du fährst an die Wand, du wirst dir eine eiskalte Abfuhr holen, Mann.«
»So macht man das nicht«, bestätigte Paul. Er strich sich mit einem Finger über den Schnurrbart und studierte seine Karten. »Was ist angesagt? Pik?«
»Herz.«
Paul runzelte die Stirn.
»Du willst bei ihr landen?«, sagte Chip. »Du willst echt bei ihr landen? Dann musst du erst den Jungen abhängen. Aber nicht wie ein Schulbub, nicht wie ein Schwächling, sondern wie ein richtiger Mann .«
»Sei ein Mann, Sid«, murmelte Paul abwesend. »Bist du sicher, dass du nicht mit Pik anfangen willst?«
»Herz.«
Ich verzog das Gesicht. »Aha.«
»Was ist jetzt?«, fragte Chip. »Setzt du dich oder nicht?«
Ich setzte mich.
»Im Ernst, Sid: Du kannst nicht einfach bloß rumstehen und bedröppelt dreinschauen wie ein kleiner Junge, der den Bus verpasst hat. Du musst es so raffiniert anstellen, dass sie überhaupt nichts davon mitkriegt. Was er auch macht, du musst es irgendwie in den Schatten stellen. Du darfst ihn gar nicht erst ins Spiel kommen lassen. Aber es darf nicht so aussehen, als ob du ihn ausstechen wolltest, sonst hast du verloren, Mann. Du musst souverän wirken.«
Ich spürte wieder dieses dunkle Gefühl aufsteigen. Irgendwie war mir das mit dem Jungen und Delilah verdammt unheimlich. Ich schnaubte abfällig. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich mit einem neunzehnjährigen Jungen um eine Neunundzwanzigjährige kämpfe?«
Chip zuckte die Achseln. »Paul war noch nicht mal sechzehn, da hatte er schon zwei Ehemännern ihre Frauen ausgespannt.«
»Das waren allerdings sehr jugendliche Frauen.« Paul lächelte strahlend. Aber sein Blick wirkte nicht richtig scharf. Er griff nach seinem Glas.
»Da siehst du’s«, sagte Chip. »Und Delilah ist nicht sehr jugendlich.«
Ich schüttelte den Kopf und musterte die beiden düster. Dann stürzte ich den Czech hinunter, schüttelte mich und machte Anstalten aufzustehen und zu gehen. »Ihr beiden habt sie doch nicht alle. Delilah will nichts von dem Jungen, ausgeschlossen. Wenn sie überhaupt was für ihn empfindet, dann wie eine Schwester.«
»Ich hab in meinem Leben schon ziemlich dreckige
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