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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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und strich sich die Krawatte glatt. »Es sieht nicht gut aus.«
    Keiner setzte sich. Uns taten die Knie immer noch weh.
    »Wie schlimm ist es?«, fragte Paul nach einer Weile.
    Ernst schwieg.
    »Verdammte Scheiße«, knurrte Chip. »Wo zum Teufel ist eigentlich Fritz? Was macht er?«
    Ernst zuckte die Achseln. Sein Büro war dunkelbraun gestrichen und schwarz möbliert. Er nahm einen silbernen Füllfederhalter und klopfte damit nervös auf die Schreibtischunterlage. »Ich habe gestern in Hamburg angerufen.«
    Wir hoben die Köpfe und starrten Ernst an. Es war so still im Raum, dass ich glaubte, die Ratten hinter den Wänden herumhuschen zu hören.
    Endlich brach Chip das Schweigen. »Du hast deinen Vater angerufen?«
    »Was kann der schon tun?«, sagte Paul verbittert. »Wieso sollte der uns helfen?«
    »Wir haben Schwierigkeiten , Mann.«
    »Wir haben schon seit Monaten Schwierigkeiten.«
    »Ich weiß nicht, ob er uns helfen wird«, sagt Ernst. »Es ist nicht sicher.«
    Mein Blick wanderte hinüber zu Delilah, zu ihren übereinandergeschlagenen langen Beinen. Mit ihrem weißen Rock und dem weißen Turban wirkte sie wie ein Gespenst aus einer anderen Zeit.
    Der Junge drehte sich um, ging hinaus auf die Treppe und kam dann wieder zurück, als hätte er sich nur die Beine vertreten. Er legte eine Hand an den Türrahmen. »Und was hat er gesagt?«, fragte er.
    Ernst machte eine vage Geste mit seinem Füller.
    Was soll das bedeuten? Ich äffte seine Bewegung nach.
    Er musterte mich mit müden Augen. »Es bedeutet, dass ich nichts weiß. Dass er mich anrufen will. Vielleicht heute Nachmittag.«
    Chip runzelte die Stirn. »Oder vielleicht erst in einer Woche. Oder in einem Monat. Was sollen wir tun? Rumsitzen und warten, dass die Nazis wiederkommen?«
    »Selbst wenn er uns helfen könnte«, fragte Paul, »können wir ihm trauen?«
    Ernst fuhr sich mit einer kreideweißen Hand über die pomadisierten schwarzen Haare. »Ich glaube schon, ja.«
    »Gut«, sagte Paul. »Dann lautet die Frage: Wird er uns helfen?«
    Der alte von Haselberg verabscheute uns. Er war ein eiskalter Industrieller – Eisen, Stahl, Kohle, auch Rüstungsgüter. Er herrschte im Saarland wie ein Fürst. Jazz war in seinen Augen etwas für Weichlinge. In seiner Branche ging es hart zu, er war hart, die Welt war hart. In den Inflationsjah
ren hatte er tüchtig investiert, hatte Maschinen gekauft mit geliehenem Geld, das nichts mehr wert war, als er es zurückzahlen musste. Er zwang die Gewerkschaften in die Knie, schaffte überflüssigen Luxus wie den Achtstundentag ab. Ernst erzählte uns, dass sein Vater während der Zeit der Weimarer Republik als berüchtigter Ausbeuter und Blutsauger zweimal auf offener Straße überfallen und verprügelt worden war. Den alten von Haselberg hatte das jedoch nicht im Mindesten beeindruckt.
    Für diesen Kerl waren wir Entartete. Und auf ihn waren wir jetzt angewiesen, wir, die seinen Sohn verdorben hatten. Seit dem Tag, an dem der junge Ernst bei seinem Freund Paul zum ersten Mal Ma Rainey und Rabbit Brown gehört hatte, war er immer mehr dem Jazz verfallen.
    Ernsts Augen leuchteten auf, wenn er das erzählte. Wie er damals diese Musik gehört hatte, ein Ohr auf den Lautsprecher gepresst, als ob der alte Jazz mit seiner schwarzen Seele direkt zu ihm gesprochen hätte.
    »Also ist es entschieden: Wir gehen nach Paris«, sagte ich.
    Chip grunzte zustimmend.
    »Das wird Fritz gar nicht gefallen«, sagte Paul.
    »Er wird’s überleben«, sagte Ernst.

    Dann konnten wir nichts anderes tun als warten.
    Die Atmosphäre in dem verdammten Club war bedrückend. Immer wieder, ganz egal was ich gerade tat, hielt ich plötzlich inne und lauschte ängstlich nach Geräuschen an der Tür. Paul und der Junge vertrieben sich die Zeit, indem sie aufräumten. Chip verschwand eine Zeit lang, dann blitzte sein Kopfverband einmal kurz hinter der Bar auf, bevor er wieder abtauchte. Stunden vergingen.
    Draußen war Spätsommer, aber in dem schummrig beleuchteten Club war es kühl, ja kalt. Ich behielt die ganze Zeit meinen Mantel an. Die Bühne lag im Halbdunkel, im Saal brannten nur sehr wenige Lampen, vor der Bühne im Schatten lagen die Trümmer der kaputten Stühle. Ein unheimlicher Geruch nach verwelkten Rosen lag in der Luft. Als ich durch die Kulissen ging, schaute ich nach oben und sah Delilah in den Soffitten auf einer Plattform sitzen.
    Ich schlängelte mich zwischen herumstehenden Instrumenten und herabhängenden Seilen durch, dann

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