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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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zog er rechts, innen, an Juri vorbei. Es ging so schnell, als ob Ribéry zwei konträre Dinge in einer Bewegung machen konnte, die Finte schlagen und vorbeiziehen. Chandler wusste, er sollte Juri im Zweikampf gegen Ribéry zur Seite stehen, aber von hinten kam schon Bayerns Außenverteidiger Philipp Lahm angeprescht, den musste Chandler doch eigentlich auch beschatten. In dieser konstanten Überforderung erlebten sie das Spiel. Juri grapschte mit den Händen nach Ribérys Hüfte, um ihn irgendwie zu halten, er sah die Gelbe Karte, und 69000 Zuschauer dachten: Bald sieht er die Rote. Schon sprintete Ribéry wieder los, jäh nach innen, er lief mit Ball schneller als andere ohne und schoss aus 20 Metern. Es war, nach 39 Minuten, bereits das dritte Tor für Bayern. In der Halbzeit wechselte der Trainer Juri aus.
    Ribéry hatte schon vielen Außenverteidigern ihre eigene Ohnmacht vorgeführt. Juri saß in den nächsten Partien nicht einmal mehr auf der Ersatzbank.
    Du schwimmst nur mit, sagte der Trainer zu ihm. Juri verteidigte sich nicht. »Der Trainer hatte es ja richtig erkannt: Ich ging ins Training, spulte das Programm ab und fuhr nach Hause. Ich schwamm nur noch mit.«
    Zu Hause fragte sich Juri, wie es wohl wäre, einen ganz normalen Beruf zu haben, jeden Morgen wegzugehen und jeden Nachmittag unbelastet nach Hause zu kommen, ohne Sorgen, ohne Traurigkeit, ohne Anspannung wegen der blöden Arbeit. Er hatte, neben dem Profifußball, eine Ausbildung als Ernährungsberater abgeschlossen.
    Der Juri könnte bei Barcelona spielen, wirklich, der hätte diese Qualität, sagte Heinz Höher, mit wem er auch sprach. Je weiter sich Juri vom Stammplatz in der Bundesliga entfernte, desto mehr verklärte Heinz Höher ihn.
    Sie überfrachten Juri mit Ihren Erwartungen, sagte ihm der Neurologe: Wenn Sie ihm immer Barcelona vorhalten, muss er unter dem Gefühl leiden, die Erwartungen zu enttäuschen.
    Heinz Höher machte den Computer an, um sich abzulenken. Genua gegen Palermo, es wird noch ein Tor fallen, wettete er, Estoril verliert gegen Arouca, tippte er, er verlor 78 Euro und verlor 200 Euro. Er verfügte über heimliche Ersparnisse von 25000 Euro aus Wettgewinnen und der Provision für Juris Vertragsverlängerung in Nürnberg vor anderthalb Jahren. Er setzte 10000 Euro auf Bayern als deutschen Meister und 12000 Euro auf Barcelona als spanischen Meister.
    Der moderne Fußball, der reine Schnelligkeit war, schenkte seinen Spielern so unerwartet Chancen, wie er sie ihnen raubte. Chandler sah im Dezember 2011 für ein rohes Foul die Rote Karte und wurde für zwei Spiele gesperrt. Juri Judt wird ihn gegen Bayer Leverkusen vertreten, meldeten die Zeitungen. Mensch, Juri, sagte Heinz Höher und lachte einfach, statt weiterzureden.
    Zwei Tage vor der Partie gegen Leverkusen sprintete Juri im Training, setzte an, den Ball zu spielen, und spürte einen Widerstand, dann ein blitzartiges Stechen. Er war mit den Stollen im Gras hängen geblieben. Sein Schuh knickte gewaltsam um. Mehrere Bänder im Fußgelenk waren gerissen. Gut zwei Monate Pause, prophezeite der Arzt.
    Als Juri Ende Januar 2012 ins Mannschaftstraining zurückkehrte, standen noch 15 Saisonspiele an, bis sein Vertrag endete. Doch er glaubte nicht mehr an das Glück oder die Hilfe des Zufalls. Er fühlte schon, seine Zeit war abgelaufen.
    Acht Monate hatte er gebraucht, mit dem Verlust eines Stammplatzes zurechtzukommen. Wie meistens, wenn es ein Sportler nach langem Winden schafft, ein Ende zu akzeptieren, spürte Juri nun eine Art Erleichterung. Er konnte im Sommer irgendwo, wo auch immer, von Neuem beginnen; etwas hinter sich lassen. Er ging zum Trainer und bat von sich aus, in die Reserveelf zurückversetzt zu werden. Er wollte sich wieder als vollwertiger Teil irgendeiner Mannschaft fühlen, wieder jedes Wochenende spielen, um im Sommer in Spielform zu seinem neuen Verein zu stoßen, wer immer das sein würde.
    Er spielte für die Reserveelf vor 222 oder 127 Zuschauern, unter 19-Jährigen, die vom Traum lebten, einmal in der Bundesliga aufzulaufen, und die zu ihm aufschauten, weil er doch einen Traum leben musste. Die Freude kam langsam zurück. Er durfte im defensiven Mittelfeld spielen, nicht immer, auch der Reservetrainer hatte seine taktischen Zwänge, aber oft genug, um wieder ein Ziel zu spüren: irgendwo noch einmal in seiner besten Position zeigen, was für ein guter Fußballer er sein konnte.
    Der FC Ingolstadt aus der Zweiten Bundesliga wolle ihn, meldete

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