Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
Dann setzt ein unwiderstehlicher Sog ein – die Sportlerinnen tun alles, um ins Blitzlicht strahlen zu dürfen! Wirklich alles! Und es gibt einige, die genau das wissen und für sich ausnutzen!«
Das Pfeifen des Teekessels in der Küche führte zu einer kurzen Unterbrechung. Jemand lief hastig weg.
Die Ampel vor ihnen schaltete auf rot.
Sie fuhren ohne Sondersignal, nur das Blaulicht auf dem Dach.
Mangolds Finger verkrampften sich in der Nackenstütze, Nachtigall presste sich tief in seinen Sitz und stemmte die Arme gegen das Armaturenbrett.
Wiener bretterte erbarmungslos weiter.
Raste ungebremst in die Kreuzung.
»Vorsicht!«, brüllte Mangold – doch der Fahrer des grünen Audis hatte sie noch rechtzeitig bemerkt und eine Notbremsung hingelegt.
»Klar!« Frau Schybullas herzliches Lachen war aus der Freisprechanlage zu hören. »Mit der Öffentlichkeit steigt auch der Erfolgsdruck.«
»Eben«, bestätigte Frau Winter kalt. »Und dann ist es vorbei mit dem freundlichen Umgang. Spätestens ab diesem Punkt wird gemobbt und gedopt!«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Die Mädchen sind ja letztlich ein Team. Silvia Neid, die Bundestrainerin, hat sich auch mit ihrer Forderung nach einer langen gemeinsamen Trainingszeit vor der WM durchgesetzt. Das ist wichtig, wenn man echten Zusammenhalt formen möchte. Aber natürlich will jede so gut wie möglich sein – durch Leistung auffallen, vielleicht als Stammspielerin in der Nationalelf spielen«, banalisierte Frau Schybulla arglos den Vorwurf.
»Und Männer nutzen diese Situation schamlos aus. Sexueller Missbrauch ist ganz normaler Alltag. Früher waren es angebliche Regisseure oder Angestellte beim Film, die die Mädchen ködern konnten – heute sind es Trainer und Talentscouts! ›Eine wie dich bring ich groß raus beim Fußball! Ich mach dich berühmt, dein Talent ist unübersehbar!‹ Und kaum haben sie ein Mädchen im Bett, schon baggern sie das nächste an!«
»Aber nein! Es kommt schon gelegentlich zu Liebeleien, aber das ist doch normal in diesem Alter«, wehrte Frau Schybulla ab.
Marnie bemerkte, wie Kiris Hand, mit der sie den Tee einschenkte, zitterte. War an den Vorwürfen was dran? Nach dem Trainingslager war Kiri so sonderbar abweisend gewesen, schweigsam. Sie hatte das für einfachen Liebeskummer gehalten, aber nun? Quatsch, rief sie sich zur Räson, du siehst schon überall Gespenster!
»Meine Manuela war nur ein Opfer eurer skrupellosen Machenschaften! Sie dachte, du wärst ihre beste Freundin. Ha! Als sie Hilfe brauchte, hattest du keine Zeit für sie. Olga, die manchmal bei uns übernachtet hat, Olga, die schon so vernünftig war! Als Manuela dich gebraucht hat, wo warst du da? Ihr habt sie diesem Schwein Keiser überlassen! Diesem Widerling, der behauptet hatte, er könne aus ihr einen Star machen! Geschwängert hat sie der Kerl! Und meine Manuela hielt es bis zum Schluss für die große Liebe.«
»Shit! Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!«, fluchte Nachtigall.
Die Stimmung war endgültig gekippt.
»Dann stimmten die Gerüchte damals doch?« Olga Schybullas Stimme klang ehrlich erstaunt.
»Als ob du das nicht gewusst hättest! Heuchlerin! Lügnerin! Oh, ja. Meine Tochter war schwanger. Sie wollte das Kind unbedingt – und träumte von einer rosaroten Zukunft an Rolands Seite. Doch das Baby wurde krank geboren. Krank durch die Pillen, die Roland Keiser meiner Tochter verpasst hat! Leider hatte Manuela ihm das Märchen von den Vitaminen zur Leistungssteigerung kritiklos geglaubt. Manuelas Tochter starb wenige Wochen nach der Geburt.«
»Wie traurig. Sie glauben, es waren keine Vitamine?«
»Tu doch nicht so, Olgaschätzchen! Hormone natürlich und anderer Drogenscheiß! Das hat sie von ihrem Andy bekommen! Einen tödlich-giftigen Cocktail.«
»Das glaube ich nicht einen Moment lang.«
»Unser Schmetterling hatte einen angeborenen Herzfehler. Als er auf die Welt kam, war sein Tod nur eine Zeitfrage. Sein Skelettapparat war geschädigt und das kleine Hirnchen nicht voll funktionsfähig. So was schafft nur das zusammengepanschte Zeug aus einem Sportlabor, das ist mal sicher! Wissenschaftler entblöden sich nicht, an irgendwelchen Mittelchen zu arbeiten, die die Leistungen der Sportasse verbessern – und genau die, die der ganzen Welt zeigen sollen, wie gut die Sportnation ist, werden gnadenlos als Versuchskaninchen missbraucht.«
»Aber nein«, protestierte Frau Schybulla. »Und an Schwangeren wird
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