Spillover
Mehrere weitere sollten folgen.
Ein paar Tage später erforschte das Team eine gruselige, abgelegene Höhlenkammer, die sie auf den Namen cage (»Käfig«) tauften. Dort hatte sich einer der vier infizierten Arbeiter aufgehalten, bevor er erkrankt war. Dieses Mal drangen Amman, Formenty und Alan Kemp bis in die entlegensten Winkel der Höhle vor. Den »Käfig« selbst konnte man nur erreichen, indem man durch eine niedrige Öffnung am unteren Ende einer Wand kroch – es war, als würde man unter einem nicht ganz geschlossenen Garagentor hindurchrobben. Brian Amman ist mit 1,87 Metern und 100 Kilo ein großer Mann, und er konnte sich nur mit viel Mühe durch die Lücke zwängen; dabei blieb sein Helm hängen, und er musste ihn getrennt nachziehen. »Da kommst du dann in einen solchen Sackgassenraum, und das Erste, was du siehst, sind Hunderte von toten Flughunden«, sagt er.
Es waren Nil-Flughunde, die Spezies, für die sie sich interessierten; sie befanden sich in verschiedenen Stadien der Mumifizierung und Verwesung. Haufen von toten und halb verwesten Flughunden waren eigentlich ein schlechtes Zeichen – sie sprachen gegen die Hypothese, dass Nil-Flughunde die Reservoirwirte des Marburgvirus sind. Wenn diese Fledertiere in Massen an dem Virus gestorben waren, konnten sie nicht gleichzeitig sein Reservoir sein. Doch vielleicht waren sie auch früheren Versuchen der Einheimischen, sie mit Feuer und Rauch auszurotten, zum Opfer gefallen. Die Todesursache ließ sich ohne weitere Untersuchungen nicht feststellen; das war einer der Gründe, warum das Team hier war. Wenn die Flughunde tatsächlich am Marburgvirus gestorben waren, musste der Verdacht sich auf eine andere Spezies verlagern – eine andere Art von Fledertieren, vielleicht aber auch Nagetiere, Zecken oder Spinnen? Diese Verdächtigen waren ebenfalls zu untersuchen. Zum Beispiel Zecken: In den Felsspalten nicht weit von den Schlafplätzen der Fledertiere gab es viele von ihnen, die nur auf die Chance warteten, irgendwo Blut zu saugen. Als Amman und Kemp sich in der Höhle aufrichteten, fiel ihnen aber auch auf, dass nicht alle Flughunde tot waren. In dem Raum wimmelte es von lebenden Exemplaren, die ihnen um die Köpfe schwirrten.
Die beiden Männer machten sich an die Arbeit. Sie stopften tote Flughunde in Beutel, fingen ein paar lebende Exemplare und brachten sie ebenfalls in Beuteln unter. Dann legten sie sich wieder auf den Bauch und robbten durch den engen Durchgang. »Es war wirklich nervenaufreibend«, erzählt Amman. »So etwas möchte ich nie wieder machen.«
Am Ende hatten die Wissenschaftler ungefähr 800 Fledertiere gesammelt, um sie zu sezieren und Proben zu entnehmen. Die Hälfte davon gehörte zur Spezies Rousettus aegyptiacus . Das Team von den CDC einschließlich Towner und Amman kehrte sieben Monate später, im April 2008, in die Kitaka-Höhle zurück, fing dort weitere 200 Exemplare von R. aegyptiacus und entnahm ihnen Proben; man wollte wissen, ob das Marburgvirus in der Population noch vorhanden war. Wenn ja, wäre das ein stichhaltiges Indiz, dass die Spezies tatsächlich ein Reservoirwirt ist. Während dieser zweiten Reise markierten sie auch mehr als 1000 Flughunde und ließen sie wieder frei; sie hofften, man könne sie später wieder einfangen und dann aus ihrer Zahl die Gesamtgröße der Population errechnen. Wenn man neben der Populationsgröße auch die Infektionshäufigkeit unter den untersuchten Flughunden kannte, hätte man einen Anhaltspunkt dafür, wie viele infizierte Fledertiere sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Kitaka-Höhle aufhielten. Towner und Amman benutzten Perlenhalsbänder (die den Flughunden offenbar weniger unangenehm waren als die übliche Markierung mit Bändern am Bein); jedes Halsband war mit einer Zahl codiert. Für ihre Studie mit wiedereingefangenen markierten Tieren mussten sich die beiden Wissenschaftler einige Kritik gefallen lassen. Skeptische Kollegen vertraten die Ansicht, die Mühe sei angesichts der riesigen Flughundpopulation und der geringen Wahrscheinlichkeit, Tiere wieder einzufangen, vergeblich. »Aber wir sind bei unserer Linie geblieben«, knurrt Amman, und am Ende ließen sie 1329 markierte Flughunde frei.
Weniger spekulativ und weniger umstritten waren die Blut- und Gewebeproben der sezierten Flughunde. Sie wurden nach Atlanta geschickt, und dort suchten Towner und andere im Labor nach Spuren des Marburgvirus. Ein Jahr später veröffentlichten Towner, Amman, Rollin sowie
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