Spillover
ihre Kollegen von WHO und NICD einen Artikel, in dem sie einige wichtige Ergebnisse bekannt gaben. Das Kriechen durch die Höhle, das Einsammeln der Fledertiere und die Laborarbeiten hatten die Kenntnisse über Filoviren – das heißt über Marburg und Ebola – entscheidend vorangebracht. Das Team hatte nicht nur (in 13 der rund 600 beprobten Flughunde) Antikörper gegen das Marburgvirus und (in 31 Tieren) Bruchstücke der Marburg- RNA gefunden, sondern sie hatten auch ein weiteres, besonders überzeugendes Ergebnis erzielt. Antikörper und RNA -Fragmente sind zwar wichtig, sie sind aber nur eine Art sekundäre Indizien. Diesem Team war ein weiterer Schritt gelungen: Sie hatten aktive Viren gefunden.
In einem der B4-Labors an den CDC hatten Towner und seine Kollegen aus fünf Fledertieren aktive, vermehrungsfähige Marburgviren isoliert. Außerdem waren die fünf Virusstämme genetisch unterschiedlich, was auf eine längere Vergangenheit und Evolution der Viren in den Nil-Flughunden schließen ließ. In Verbindung mit den RNA -Bruchstücken waren diese Befunde ein stichhaltiges Indiz, dass der Nil-Flughund ein Reservoirwirt – vielleicht sogar der Reservoirwirt – des Marburgvirus ist. Die Isolierung zeigt, dass die Viren in den Fledertieren tatsächlich vorhanden sind. Aus den RNA -Fragmenten kann man ablesen, dass zu jedem Zeitpunkt ungefähr fünf Prozent der Flughundpopulation mit dem Erreger infiziert sind. Aufgrund dieser Zahlen in Verbindung mit der Gesamtpopulationsgröße von schätzungsweise 100000 Tieren allein in Kitaka ging das Team davon aus, dass jede Nacht ungefähr 5000 mit dem Marburgvirus infizierte Flughunde aus der Höhle ins Freie kommen.
5000 infizierte Flughunde, die durch die Luft segeln. Wohin fliegen sie? Wie weit haben sie es bis zu den Obstbäumen? Auf wessen Haustiere und wessen kleine Gärten lassen sie unterwegs ihre Exkremente fallen? Da kann man nur Jon Epsteins Rat wiederholen: »Mach den Mund zu, wenn du in die Luft guckst.« Und der Bestand in der Kitaka-Höhle, so fügen Towner und seine Koautoren hinzu, »ist nur eine von vielen solchen Höhlenpopulationen in Afrika«. 128
Wohin könnte das Marburgvirus auf den Schwingen der Fledertiere reisen? Eine Antwort auf diese Frage gab es im Sommer 2008.
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Schlangengrube
Astrid Joosten brach im Juni 2008 mit ihrem Mann zum Abenteuerurlaub nach Uganda auf. Es war nicht ihre erste derartige Reise, aber sie sollte größere Folgen haben als alle anderen.
Zu Hause in Nordbrabant (zufällig dieselbe Region, die auch schwer vom Q-Fieber betroffen gewesen war) arbeitete Joosten als Business-Analystin bei einem Elektrounternehmen. Sie und ihr Mann, ein Finanzmanager, entflohen gern einmal im Jahr den Niederlanden, um die Landschaften und Kulturen anderer Länder, insbesondere afrikanischer, kennenzulernen. So waren sie schon in Südafrika, Mosambik, Sambia und Mali gewesen. Während der Reise im Jahr 2008, die sie über einen Veranstalter für Abenteuerurlaub gebucht hatten, sollten sie neben einigen anderen Wildtieren und Kulturen auch die Berggorillas im südwestlichen Hochland Ugandas sehen. Sie kämpften sich durch den Bwindi Impenetrable Forest, die Heimat der Gorillas. An einem Ruhetag boten die Veranstalter einen optionalen Ausflug in den Maramagambo Forest an, einen Wald mit einer ganz besonderen Attraktion, Python Cave. Dort lebten Nördliche Felsenpythons, träge Tiere, die vom Fressen vieler Fledertiere dick und fett geworden waren.
Jaap Taal, der Ehemann von Astrid Joosten, ist ein sehr hellhäutiger, ruhiger Mann mit rasiertem Kopf und dunklen, runden Brillengläsern. Wie er mir bei einer Tasse Kaffee in einem Café im Südwesten von Montana erzählt, stieß das Angebot bei den meisten Mitreisenden nicht auf Interesse. Die Python Cave, so erklärt er, sei ein Fakultativausflug gewesen, der im Preis für das Uganda-Arrangement nicht eingeschlossen war. »Aber Astrid und ich, wir haben immer gesagt, hierher kommen wir vielleicht nur einmal im Leben, und dann muss man so viel sehen wie möglich.« Sie fuhren zum Maramagambo Forest und wanderten ungefähr eineinhalb Kilometer leicht bergauf zu einem kleinen Teich. In der Nähe, halb verdeckt von Moos und anderen Grünpflanzen wie ein Krokodilauge, das kaum über das Wasser ragt, befand sich eine dunkle Öffnung. Mit ihrem Reiseleiter und einem anderen Gast kletterten Joosten und Taal in die Höhle.
Der Untergrund war unangenehm: felsig, uneben, dick mit Exkrementen von
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