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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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Fall Joosten war der Beweis, dass das Marburgvirus in einem Menschen reisen kann, allerdings reist es zugegebenermaßen nicht so leicht wie SARS , Influenza oder HIV -1. 8000 Kilometer entfernt, in Colorado, löste die Nachricht bei einer anderen Frau einen Schauder des Wiedererkennens aus. Auch sie war in der Python Cave gewesen.
    Michelle Barnes ist eine energische Frau Ende vierzig mit blauen Augen und kastanienbraunem Haar; sie entstammt einer irischen Familie in Iowa. Mit ihrer Begeisterung für Bergsteigen und Radfahren, Campen und Wandern hat sie früher für die Erlebnispädagogik-Organisation Outward Bound gearbeitet. Jetzt ist sie als Interimsmanagerin (die einspringt, wenn während personeller Neubesetzungen kurzfristig eine Vertretung gebraucht wird) und Problemlöserin für gemeinnützige Organisationen tätig. Als ich sie in einem Büro in Boulder treffe, trägt sie einen roten Pullover und einen roten Schal; sie sieht gesund und professionell aus. Das Kastanienbraun ihrer Haare, erzählt sie mir fröhlich, kommt aus der Flasche. Wie sie mir weiter erklärt, entspricht es ungefähr der ursprünglichen Farbe, aber die ist weg. Anfang 2008 waren ihr plötzlich die Haare ausgegangen; der Rest wurde »mehr oder weniger über Nacht« grau. Es war eine der geringfügigeren Auswirkungen einer rätselhaften Krankheit, an der sie im Januar jenes Jahres, kurz nach ihrer Rückkehr aus Uganda, fast gestorben wäre.
    Ihre Geschichte hat viele Parallelen zu der, die Jaap Taal mir erzählt hat, es gibt aber auch wichtige Unterschiede. Der wichtigste: Michelle Barnes lebt noch. Außerdem zeigt ihr Fall, wie schwierig es manchmal ist, die richtige Diagnose zu stellen. Wie Jaap und Astrid, so waren auch Michelle und ihr Ehemann Rick Taylor, der ein Bauunternehmen betreibt, von Afrika bezaubert. Auch sie hatten schon mehrere Reisen unternommen und waren dabei meist allein an abgelegene Orte gereist. Und auch sie wollten dieses Mal die Berggorillas sehen. Also buchten sie bei einem Abenteuerreiseveranstalter, denn diese Unternehmen haben als Einzige die Genehmigung, die Gorillas aufzusuchen. Ihr Reiseverlauf führte sie – wiederum genau wie später Jaap und Astrid – nach Süden durch die landschaftlichen Attraktionen im westlichen Uganda; die Menschenaffen in Bwindi sollten kurz vor dem Ende der Reise den Höhepunkt bilden. Zwischenstation machten sie unter anderem im Queen Elizabeth National Park an der Ostküste des Lake Edward. Es ist ein trockenes, flaches Ökosystem: klassische ostafrikanische Savanne mit Löwen, Elefanten und anderen großen Säugetieren, die sich in der Morgen- und Abenddämmerung an den Wasserstellen sammeln. Die sengend heiße, helle Mittagszeit eignet sich hier nicht zum Beobachten von Wildtieren. Als sie an einem Tag ihres Aufenthalts noch fünf Stunden totzuschlagen hatten, schlug der Reiseleiter deshalb vor, eine Höhle mit Pythons und Fledertieren zu besichtigen.
    Barnes und ihre Gruppe wanderten die gleichen eineinhalb Kilometer durch den Maramagambo Forest und betraten dieselbe Höhle. Sie gingen über einen unebenen Boden mit großen Steinen, die mit Exkrementen verschmiert waren und den Füßen wenig Halt boten. An den Wänden wimmelte es nach ihrer Erinnerung von großen, behaarten Spinnen. Die Decke war niedrig, und die schlafenden Flughunde hingen noch nicht einmal einen Meter über den Köpfen der Besucher. Einige Tiere flogen kreischend aus der Höhle heraus oder hinein. Der Gestank war entsetzlich. Man musste über die glitschigen Felsbrocken kraxeln. Wie Barnes mir erklärt, achtet sie als Bergsteigerin sehr darauf, wohin sie mit den Händen greift. Nein, sie habe keine Exkremente berührt. Nein, sie sei nicht mit einem Flughund zusammengestoßen. Ihre Gruppe ging nur ein kurzes Stück in die Höhle hinein und stand dann auf einer Art Zwischenstock, von dem man auf eine niedrigere Ebene hinabsehen konnte. Über ihnen waren die Flughunde, unter ihnen zwei Pythons. Einige der anderen Touristen gingen schnell wieder hinaus. Sie und Rick blieben noch eine Weile und bemühten sich, die Szene auf sich wirken zu lassen. »Wann sieht man schon einmal Pythons und Flughunde in einer Höhle?«, sagt sie zu mir, bevor sie sich selbst ertappt und im Rückblick sarkastisch hinzufügt: »Ich kann Ihnen versichern, nie mehr wieder.«
    Nach ungefähr 20 Minuten hatten sie genug gesehen. Das war alles – kein Missgeschick, nichts Dramatisches. »Ich habe definitiv keines der Tiere und auch

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