Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
Vom Netzwerk:
Archivmaterial liefern.
    Vor diesem Hintergrund kam DRC 60 aus Kinshasa. Nach der Tagung der Royal Society erinnerte sich einer der Teilnehmer, der belgische Arzt Dirk Teuwen, an Veröffentlichungen über alte pathologische Untersuchungen im Kongo, die er in den Archiven der medizinischen Labors aus der Kolonialzeit gefunden hatte. Teuwen kam auf die Idee – und diskutierte sie mit anderen Tagungsteilnehmern –, dass man HIV -1 vielleicht in einigen Gewebeproben, die in den alten Paraffinblöcken konserviert waren, nachweisen könnte. Damit stieß er auf Skepsis; die Kollegen bezweifelten, dass nützliche Virusfragmente so viele Jahrzehnte überlebt haben könnten – Jahrzehnte in tropischer Hitze unter einfachen Aufbewahrungsbedingungen mit chaotischer Verwaltung und einer Revolution. Aber Teuwen blieb hartnäckig. Er gewann einen leitenden kongolesischen Bakteriologen namens Jean-Jacques Muyembe als Verbündeten, und der ging mit Genehmigung des Gesundheitsministeriums auf die Suche. Er fuhr zur Universität in Kinshasa, stöberte in der Kammer hinter dem blauen Vorhang, packte 813 in Paraffin eingebettete Proben in einen gewöhnlichen Koffer und nahm diesen auf der nächsten Dienstreise mit nach Belgien. Dort übergab er den Schatz an Dirk Teuwen. Der hatte sich zuvor mit Michael Worobey auf eine Zusammenarbeit verständigt und schickte die Proben in dessen Labor nach Tucson.
    Hier fließen die beiden Stränge der Geschichte zusammen. Worobey hatte als Doktorand sowohl William Hamilton in Oxford als auch einige belgische Infektionsbiologen kennengelernt. Mit Hamilton war Worobey sogar auf dessen letzter, verhängnisvoller Expedition in der Demokratischen Republik Kongo gewesen. Sie besuchten das Land im Januar 2000 während der chaotischen Zeit nach dem Bürgerkrieg, in dem der Präsident Mobutu Sese Seko von Laurent Kabila abgelöst worden war. Hamilton wollte Kot- und Urinproben von wilden Schimpansen sammeln; er hoffte, mit diesem Material könne man die OPV -Theorie untermauern oder widerlegen. Worobey setzte wenig Vertrauen in die OPV -Theorie, wollte aber mehr Daten gewinnen, um Herkunft und Evolution von HIV besser nachzeichnen zu können. In der Demokratischen Republik Kongo ging es zu jener Zeit noch mehr drunter und drüber als sonst – der östliche Teil des Landes wurde immer noch zum größten Teil von zwei Rebellenarmeen kontrolliert, die gegen Laurent Kabila kämpften. Hamilton und Worobey flogen nach Kisangani (das frühere Stanleyville), eine Regionalhauptstadt am Oberlauf des Kongo; es war dieselbe Stadt, in der auch Koprowski mit seinem Impfprojekt begonnen hatte. Nachdem sie dem von Ruanda unterstützten Kommandanten (der den größten Teil der Stadt beherrschte) ihre Aufwartung gemacht hatten, brachen sie so schnell wie möglich in den Wald auf, wo sie sich unter Leoparden und Schlangen wesentlich sicherer fühlten. Einen Monat lang sammelten sie mit Unterstützung einheimischer Führer Kot- und Urinproben von wilden Schimpansen; als sie abreisten, war Hamilton bereits krank.
    Weder er selbst noch Woroney wusste, wie krank er war, aber sie nahmen den nächsten Flug, den sie bekommen konnten, und reisten nach Ruanda. Von dort ging es weiter nach Entebbe in Uganda, wo bei Hamilton eine Malaria tropica diagnostiziert wurde. Er wurde kurz behandelt, dann flogen sie über Nairobi nach London. Mittlerweile schien Hamilton mit seiner Krankheit das Schlimmste hinter sich zu haben; er fühlte sich bereits viel besser. Sie hatten erreicht, was sie wollten, und waren guter Dinge. Doch am nächsten Morgen fühlte sich Hamilton wiederum nicht wohl und begab sich ins Krankenhaus, wo er, vielleicht aufgrund der entzündungshemmenden Medikamente, die man ihm gegen die Malaria gegeben hatte, katastrophale Blutungen bekam. Er musste sich einer Reihe von Operationen und Transfusionen unterziehen, und nachdem die Ärzte wochenlang um sein Leben gekämpft hatten, starb er.
    Von den Kotproben kongolesischer Schimpansen, für die Hamilton sein Leben riskiert – und verloren – hatte, war keine einzige SIV -positiv. In einigen Urinproben fanden sich Antikörper im Bereich der unteren Nachweisgrenze. Diese Befunde waren nicht so eindeutig oder dramatisch, dass sich eine Veröffentlichung gelohnt hätte. Gute Daten sind da, wo man sie findet, aber nicht immer da, wo man sucht. Einige Jahre später, als die Proben aus der Pathologie von Kinshasa nach Tucson kamen – diese 813 kleinen Gewebeproben in Paraffin, die

Weitere Kostenlose Bücher