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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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hatte bereits Dutzende von Leben gekostet, zusätzlich zu den ursprünglichen Opfern. In Nordafrika schwelten Buschfeuerkriege, während sich die Armeen der Industrienationen zurückzogen, um sich neu zu gruppieren. Der Ölpreis schoss in die Höhe – zu Hause ließen wir den Thermostaten ein paar Grad unterhalb angenehmer Temperaturen, bis die Tage wieder länger wurden (als die Sonne zurückkehrte und die erste Wachtel schrie).
    Aber angesichts der unbekannten und kaum begriffenen Bedrohungen gelang es der Menschheit immerhin, keinen globalen heißen Krieg vom Zaun zu brechen – das sei zu unserer Ehre festgehalten. Wir stellten uns um und machten weiter, und im Frühling sprach man bereits von der »neuen Normalität«. Auf lange Sicht würden wir vielleicht einen noch höheren Preis für das zahlen müssen, was dem Planeten zugestoßen war… aber auf lange Sicht, wie es so schön heißt, müssen wir ohnehin alle sterben.
    Ich sah die Veränderung an meiner Mutter; mit der Zeit wurde sie ruhiger, und das warme Wetter, als es dann endlich kam, zog ihr einiges an Spannung aus dem Gesicht. Und ich sah die Veränderung an Jason, der sich aus der meditativen Einkehr zurückmeldete. Allerdings machte ich mir Sorgen um Diane, die sich weigerte, überhaupt noch über die Sterne zu reden, und mich statt dessen in letzter Zeit wiederholt gefragt hatte, ob ich an Gott glaubte – ob ich glaubte, dass Gott verantwortlich sei für das, was im Oktober geschehen war.
    Darüber könne ich nichts sagen, erklärte ich ihr. Meine Familie war nicht sehr religiös. Das Thema machte mich ehrlich gesagt ein bisschen nervös.
     
    In jenem Sommer fuhren wir drei zum letzten Mal mit unseren Fahrrädern zur Fairway Mall.
    Wir hatten diesen Ausflug schon hundert-, ja tausendmal gemacht. Die Zwillinge wurden allmählich ein bisschen zu alt dafür, aber in den sieben Jahren, die wir gemeinsam auf dem Grundstück des Großen Hauses wohnten, war es zu einem Ritual geworden, zur unverzichtbaren Sommersamstagsunternehmung. An regnerischen oder brüllend heißen Wochenenden ließen wir es schon mal ausfallen, doch wenn das Wetter okay war, zog es uns wie eine unsichtbare Hand zum Treffpunkt am Ende der langen Lawton-Auffahrt.
    An diesem Tag wehte ein sanfter Wind, und das Sonnenlicht verlieh allem, was es berührte, eine tiefe organische Wärme. Es war, als wolle das Klima uns beruhigen: der Natur ging es, zehn Monate nach dem Ereignis, recht gut, danke der Nachfrage – auch wenn wir (wie Jason bisweilen sagte) jetzt ein gehegter Planet waren, ein von unbekannten Kräften bestellter Garten, kein Flecken kosmischen Wildwuchses mehr.
    Jason fuhr ein teures Mountainbike, Diane das etwas weniger hermachende Gegenstück für Mädchen. Mein Fahrrad war ein Klappergestell, das meine Mutter in einem Secondhand-Laden gekauft hatte. Egal. Worauf es ankam, das war der Kiefernduft in der Luft und die vor uns aufgereihten leeren Stunden. Ich empfand es so, Diane empfand es so, und ich glaube, auch Jason empfand es so, obwohl er zerstreut und sogar ein bisschen verlegen wirkte, als wir aufsattelten. Ich schrieb es dem allgemeinen Stress oder – es war August – der Aussicht auf das neue Schuljahr zu. Jase befand sich in einem beschleunigten akademischen Zug an der Rice Academy, einer Eliteschule mit hohen Ansprüchen. Letztes Jahr hatte er seine Mathe- und Physikkurse spielend leicht absolviert – er hätte sie genauso gut unterrichten können –, aber im nächsten Semester war ein Schein in Latein zu erwerben. »Es ist nicht mal eine lebende Sprache«, sagte er. »Wer zum Teufel liest schon Latein, von klassischen Philologen mal abgesehen? Das ist, als würde man FORTRAN lernen. Alle wichtigen Texte wurden schon vor langer Zeit übersetzt. Macht es mich zu einem besseren Menschen, wenn ich Cicero im Original lese? Cicero, um Gottes willen! Der Alan Dershowitz der Römischen Republik.«
    Ich nahm das alles nicht besonders ernst; eine unserer Lieblingsbeschäftigungen auf diesen Ausflügen bestand darin, uns in der Kunst des Klagens zu üben. (Ich hatte keine Ahnung, wer Alan Dershowitz war, irgendein Junge aus Jasons Schule, vermutete ich.) Aber heute war seine Laune doch recht unberechenbar. Auf den Pedalen stehend, radelte er ein Stück vor uns her.
    Der Weg zur Mall zog sich an Grundstücken mit dichtem Baumbestand und Pastellhäusern mit gepflegten Gärten und eingelassenen Sprinklern entlang, die Regenbögen in die morgendliche Luft zeichneten. Das

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