Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spin

Spin

Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
wir lauter seltsame Anrufe von E. D. bekommen. Ein paarmal hat er spät nachts angerufen und Simon Vorhaltungen gemacht. Er klang ein bisschen betrunken. E. D. hasst Simon. E. D. hat Simon von Anfang an gehasst, aber nachdem wir nach Phoenix gezogen waren, haben wir nie wieder etwas von ihm gehört. Bis jetzt. Das Schweigen hat wehgetan – aber das jetzt ist noch schlimmer.«
    Dianes Telefonnummer mochte ebenfalls zu den Informationen gehört haben, die Molly aus meinem Organisationsprogramm geklaubt und an E. D. weitergegeben hatte. Das konnte ich Diane natürlich nicht sagen, ohne meinen Verschwiegenheitseid zu verletzen, ebenso wie ich nicht über Wun Ngo Wen oder eisfressende Replikatoren sprechen konnte. Ich erzählte ihr aber, dass Jason und sein Vater einen Kampf um die Kontrolle über Perihelion geführt hätten, aus dem Jason siegreich hervorgegangen sei, und vielleicht sei es das, was E. D. zu schaffen mache.
    »Könnte sein«, sagte Diane. »Zumal so kurz nach der Scheidung.«
    »Welcher Scheidung? Sprichst du von E. D. und Carol?«
    »Hat Jason dir das nicht erzählt? E. D. wohnt seit Mai in Georgetown zur Miete. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen, aber es sieht so aus, als würde Carol das Große Haus plus Unterhaltszahlungen bekommen und E. D. den ganzen Rest. Die Scheidung war seine Idee, nicht ihre. Was nachzuvollziehen ist: Carol bewegt sich seit Jahrzehnten an der Schwelle zum Alkoholkoma. Sie war keine gute Mutter und sie kann E. D. auch keine besonders gute Frau gewesen sein.«
    »Das heißt, du gibst ihm Recht?«
    »Nein. Meine Haltung zu ihm hat sich nicht verändert. Er war ein schrecklicher, gleichgültiger Vater – jedenfalls für mich. Ich mochte ihn nicht, und ihm war das völlig egal. Aber ich hatte auch nicht diesen großen Respekt vor ihm, so wie Jason. Jason sah in ihm den übermächtigen Industriekönig, den großen Macher in Washington.«
    »Ist er das nicht?«
    »Er ist erfolgreich und hat Einfluss, das ist wahr, aber das muss man alles relativ sehen, Ty. Es gibt zehntausend E. D. Lawtons in diesem Land. E. D. wäre auf keinen grünen Zweig gekommen, wenn sein Vater und sein Onkel ihm nicht das erste Unternehmen finanziert hätten – und zwar in der Erwartung, da bin ich mir sicher, dass es ein Abschreibungsprojekt sein würde. E. D. hat das, was er gemacht hat, gut gemacht, und als der Spin ihm Möglichkeiten eröffnete, hat er sie eiskalt genutzt, was ihm wiederum die Aufmerksamkeit einiger wirklich einflussreicher Leute sicherte. Aber im Kreise der Mächtigen blieb er letztlich immer der Neureiche. Ihm fehlte einfach der Harvard-Yale-Stallgeruch. Keine Debütantinnenbälle für mich. Wir waren die armen Kinder in der Straße. Ich meine, es war eine nette Straße, aber es gibt altes Geld und es gibt neues Geld, und wir waren definitiv neues Geld.«
    »Tja, von der anderen Seite des Rasens hat es wohl ein bisschen anders ausgesehen. Wie kommt Carol denn damit zurecht?«
    »Ach, Carols Medizin kommt aus der gleichen Flasche wie eh und je. Aber was ist mit dir, Tyler? Wie steht’s mit dir und Molly?«
    »Molly ist weg.«
    »Weg wie in ›mal eben weggegangen‹ oder…«
    »Richtig weg. Wir haben Schluss gemacht. Mir fällt kein beschönigender Ausdruck dafür ein.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Danke, aber es ist nur zum Besten. Das sagen alle.«
    »Simon und ich kommen ganz gut klar.« Ich hatte nicht danach gefragt. »Die Sache mit der Kirche macht ihm zu schaffen.«
    »Neue Entwicklungen in der Kirchenpolitik?«
    »Jordan Tabernacle hat gewisse rechtliche Probleme. Ich kenne nicht alle Einzelheiten. Wir sind auch nicht direkt beteiligt, aber Simon nimmt es sich sehr zu Herzen. Doch dir geht’s gut, bist du sicher? Du klingst ein bisschen kratzig im Hals.«
    »Ich werd’s überleben«, sagte ich.
     
    Am Morgen vor der Wahl packte ich ein paar Koffer – saubere Kleidung, einige Taschenbücher, medizinische Ausrüstung – in mein Auto und holte dann Jason ab, um mit ihm die Fahrt nach Virginia anzutreten. Er hatte nach wie vor eine Schwäche für schicke Autos, doch wir mussten unauffällig reisen – deshalb mein Honda, nicht sein Porsche. Die Highways waren nicht mehr sicher für Porsches.
    Die Amtszeit von Präsident Garland war eine gute Zeit für jene gewesen, deren Jahreseinkommen über einer halben Million Dollar lag, und eine schwere Zeit für alle anderen. Das konnte man leicht erkennen, wenn man unterwegs war: entlang der Straße entfaltete

Weitere Kostenlose Bücher