Spin
schön.«
»Spektakulär. So heißt es. Aber ist nicht gerade der Mars für seine Schluchten berühmt?«
Er lächelte. »Sie sprechen von den Gefallenen Landen. Ihre Leute haben sie Valles Marineris genannt, als sie sie vor sechzig Jahren – vor hunderttausend Jahren – vom Weltraum aus entdeckten. Teile davon sehen diesen Fotografien tatsächlich sehr ähnlich. Aber ich bin nie dort gewesen. Und ich nehme auch nicht an, dass ich noch einmal Gelegenheit dazu haben werde. Ich glaube, ich würde stattdessen gerne den Grand Canyon besuchen.«
»Dann besuchen Sie ihn. Dies ist ein freies Land.«
Wun quittierte die Redensart – womöglich war es das erste Mal, dass er sie hörte – mit einem Blinzeln und nickte. »Ja, das mache ich. Ich werde mit Jason über die Reisemöglichkeiten sprechen. Möchten Sie nicht mitkommen?«
»Was, nach Arizona?«
»Ja, Tyler, nach Arizona, zum Grand Canyon.« Er mochte ein Vierter sein, aber in diesem Augenblick klang er eher wie ein Zehnjähriger. »Wollen Sie mit mir hinfahren?«
»Darüber muss ich nachdenken.«
Ich war noch mit Nachdenken beschäftigt, als ich einen Anruf von E. D. erhielt.
Seit Preston Lomax’ Wahl zum Präsidenten war E. D. Lawton politisch unsichtbar geworden. Seine Kontakte zur Industrie bestanden zwar noch – wenn er eine Party schmiss, konnte man davon ausgehen, dass mächtige Leute auftauchten –, doch er würde nie wieder die Art von Einfluss geltend machen können, derer er sich zu Garlands Amtszeit erfreut hatte. Es gab sogar Gerüchte, dass er sich in einem Zustand psychischen Verfalls befand, eingebunkert in seine Wohnung in Georgetown, von wo aus er ehemalige politische Verbündete mit unerwünschten Anrufen behelligte. Das mochte wohl so sein, aber weder Jason noch Diane hatten in letzter Zeit von ihm gehört, daher war ich einigermaßen perplex, als ich den Hörer abnahm und seine Stimme hörte.
»Ich möchte mit dir reden«, sagte er.
Was eine durchaus interessante Aussage war von einem Mann, der Molly Seagrams sexuelle Spionageaktion finanziert, wenn nicht gar erdacht hatte. Mein erster, wahrscheinlich gesunder Impuls war, gleich wieder aufzulegen, aber als Geste erschien mir das unangemessen.
»Es geht um Jason«, fügte er hinzu.
»Dann reden Sie doch mit Jason.«
»Das kann ich nicht, Tyler. Er hört mich nicht an.«
»Wundert Sie das?«
Er seufzte. »Okay, du stehst natürlich auf seiner Seite. Aber ich will ihm ja nichts Böses. Und es ist sogar dringend. In Bezug auf sein eigenes Wohl.«
»Ich weiß nicht, was das heißen soll.«
»Und ich kann es am Scheißtelefon nicht erklären. Ich bin gerade in Florida, zwanzig Minuten von dir. Komm ins Hotel, ich geb dir einen aus und du kannst mir ins Gesicht sagen, dass ich mich verziehen soll. Bitte, Tyler. Acht Uhr, Hotelbar im Hilton, an der Fünfundneunzig. Vielleicht rettest du jemandem das Leben.«
Er legte auf, bevor ich antworten konnte.
Ich rief Jason an und erzählte ihm, was gerade passiert war.
»Wow«, sagte er. »Wenn die Gerüchte zutreffen, ist E. D. im Umgang sogar noch unangenehmer als früher. Sieh dich vor.«
»Ich hatte eigentlich nicht die Absicht hinzufahren.«
»Musst du natürlich auch nicht. Aber… vielleicht solltest du.«
»Ich hab genug von E. D.s Tricks, vielen Dank.«
»Vielleicht wär’s aber besser, wenn wir wüssten, was ihn umtreibt.«
»Soll das heißen, du willst, dass ich mich mit ihm treffe?«
»Nur, wenn du dich dabei wohl fühlst.«
»Wohl fühlen?«
»Es ist natürlich deine Entscheidung.«
Also setzte ich mich in mein Auto und fuhr über den Highway, vorbei an Unabhängigkeitstagbeflaggung (morgen war der 4. Juni) und fliegenden Fahnenhändlern (ohne Lizenz, jederzeit darauf gefasst, in ihren verwitterten Pick-ups das Weite suchen zu müssen), während ich in Gedanken noch einmal all die Fahr-zur-Hölle-Reden rekapitulierte, die ich mir in den vergangenen Monaten für E. D. Lawton ausgedacht hatte. Als ich beim Hilton ankam, war die Sonne hinter den Dächern verschwunden und die Uhr am Empfang zeigte 20:35.
E. D. saß in der Bar an einem Tisch, seinen Drink vor sich. Er wirkte erst überrascht, mich zu sehen. Dann aber erhob er sich, packte meinen Arm und bugsierte mich auf die Sitzbank ihm gegenüber.
»Was zu trinken?«
»So lange bleib ich nicht.«
»Trink etwas, Tyler. Es verbessert die Einstellung.«
»Hat es Ihre Einstellung verbessert? Sagen Sie einfach, was Sie wollen, E. D.«
»Oha, daran erkenne
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