New York für Anfaengerinnen
AUGUST
Karriere machen
Karriere machen
Karriere machen
So stand es mit leuchtend rotem Chanel Lippenstift Nr. 31 auf dem Badezimmerspiegel ihrer alten Wohnung. Zoe Schuhmacher hatte sich vor dem Abflug in ihr neues Leben – wie vor allen größeren Projekten – natürlich eine To-do-Liste gemacht, aber die fiel dieses Mal denkbar einfach aus. Sie würde für genau ein Jahr aus Deutschland weggehen und sich auf genau einen Punkt konzentrieren: Karriere machen! Nichts als Karriere. Und weil Zoe Schuhmacher wie so viele ihrer Geschlechtsgenossinnen eine Perfektionistin war, die nicht anders konnte, als neben einem Plan B auch immer einen Plan C parat zu haben, hatte sie natürlich auch noch eine Not-to-do-Liste erstellt:
Keine feste Beziehung mit einem Mann anfangen
Keine lockere Beziehung mit einem Mann anfangen
Am besten gar keine Beziehung mit einem Mann anfangen (nicht einmal eine rein platonische)
Zoe betrachtete im Badezimmerspiegel ihr Gesicht. »Karriere machen« war einmal quer in Rot über die Stirn und »Keine feste Beziehung« übers Kinn geschrieben. Die schulterlangen Haare hatte sie heute Morgen zur Abwechslung in der Mitte gescheitelt und mit dem Lockenstab zu unordentlichen Wellen gedreht. Beachy nannte sich der ungewohnte Look, aber sie wusste auf den ersten Blick, dass er ihr stand. Ihre fast olivefarbene Haut verlieh ihr zu jeder Jahreszeit einen Hauch von Sommer, sodass sie sich wie immer nur die Lippen mit Chanel Nr. 31 hellrot nachzog und sonst auf Make-up verzichtete. Den ausgefahrenen Lippenstift ließ sie demonstrativ auf der Ablage unter dem Spiegel stehen.
»Hinterlässt die Mafia nicht auch immer tote Fische und so ein Zeugs?«, murmelte sie. »Als Warnung: Leg dich nicht mit mir an, sonst versenke ich dich mit einbetonierten Füßen im nächstbesten Tümpel!«
Donna Schuhmacher warnte eben mit Nummer 31.
Sie zog ein sonnengelbes T-Shirt an, denn Gelb signalisierte, dass sie okay war. Mehr als okay. Betrogene trugen gemeinhin Schwarz, nicht wahr? Oder Grün. Die meisten grünen Autos wurden angeblich von Geschiedenen gekauft, hatte Zoe einmal in einer Studie gelesen. Zu guter Letzt setzte sie sich eine große, schwarze Hornbrille, die nur mit Fensterglas versehen war, auf die Nase und musterte sich erneut. Die Mischung aus girly und geeky gefiel ihr. Diese fremde Frau da im Spiegel machte den Eindruck, als hätte sie jederzeit eine Überraschung parat: einen cleveren Spruch, ein fantastisches Geheimnis – vielleicht sogar einen dreckigen Witz.
Fertig! Sie war bereit!
» If you can make it there, you make it anywhere , Zoe Schuhmacher«, raunte sie ihrem Spiegelbild zu und machte einen letzten Rundgang durch ihre Wohnung. In der Wohnzimmertür hielt sie kurz inne und betrachtete zufrieden den wollweißen Mohairteppich, auf dem fröhlich ein Pfund verstreuter Kressesamen spross. Den 26-Zoll-Flachbild-Fernseher, den Edelstahlkühlschrank mit integrierter Eiswürfelmaschine und die neue, völlig geräuschlose Öko-Spülmaschine hatte sie von einer Umzugsspedition abholen und zu ihren Eltern bringen lassen.
»Und was ist mit dem Rest?«, hatten die Umzugsmänner ein bisschen verwirrt gefragt.
»Der bleibt hier«, hatte Zoe geantwortet.
Was konnte frau einem Mann schließlich Schlimmeres antun, als ihm die Sportschau samt Eiswürfel fürs Biofruchtsmoothie zu nehmen, ihn zum Handspülen zu zwingen und auch noch pflegebedürftiges Grünzeug in die gemeinsame Wohnung einzuschleppen? Zoe hatte kurz noch überlegt, das Ligne-Roset-Sofa mit einer Kollektion niedlicher Kuscheltiere und herziger Teddybärchen in Regenbogenfarben zu bevölkern, das Budget dafür dann aber doch lieber in ihre neue Geek-Brille investiert. Sie ließ die Wohnungstür ins Schloss fallen und ging beschwingt die Treppen hinunter. Immer zwei Stufen auf einmal. Draußen vor der Tür wartete schon Allegra, die sie zum Flughafen bringen würde.
»Wow. Du siehst aus, als wolltest du ins Zeugenschutzprogramm des FBI eintreten«, kommentierte sie Zoes Look. »Neue Frisur, neue Brille und in weniger als zwölf Stunden auch noch einen neuen Wohnsitz. New York City, Baby!«
»New York City, in der Tat«, antwortete Zoe und beobachtete im Rückspiegel, wie diese fremd aussehende Frau auf dem Beifahrersitz, die sie selbst sein musste, breit grinste.
»5th Avenue«, rief Allegra, als sie den Wagen anließ.
»Empire State Building«, legte Zoe nach.
»Hupende, gelbe Taxis.«
»Heulende Polizeisirenen.«
»Bagels
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