Spin
erwarten« (ihm abverlangen).
Wie hatte Jason sich verändert? Zum einen bewegte er sich anders. Er hatte seine AMS sehr geschickt getarnt, doch nun waren sein Gang und seine Gesten wieder deutlich freier geworden. Er war der blecherne Holzfäller nach der Ölkannenbehandlung. Zwar war er noch gelegentlich missgestimmt, aber seine Launen waren nicht mehr so heftig. Er fluchte weniger – stolperte nicht mehr so leicht in eine jener emotionalen Senkgruben, in denen das einzige noch verwendbare Wort »Scheiße« hieß – und scherzte häufiger als früher.
Das alles klingt gut, und das war es auch, doch es betraf nur die Oberfläche. Andere Veränderungen schienen problematischer. Von der Leitung des Tagesgeschäfts bei Perihelion hatte er sich so weit zurückgezogen, dass sein Mitarbeiterstab ihn nur noch einmal in der Woche über die laufenden Geschäfte informierte. Er hatte begonnen, marsianische Astrophysik zu studieren, unter Umgehung, wenn nicht gar krasser Missachtung der Sicherheitsbestimmungen, und das einzige Ereignis, das seine neu erlangte Gemütsruhe durchbrach, war Wuns Tod, der ihm auf eine Weise naheging, die ich nicht recht nachvollziehen konnte.
»Dir ist klar«, sagte E. D. jetzt, »dass es das Ende von Perihelion war, was wir gerade gesehen haben.«
Das war es, in der Tat. Abgesehen von der noch zu leistenden Interpretation des Feedbacks, das wir von den Replikatoren zu erhalten hofften, war Perihelions Geschichte als zivile Raumfahrtbehörde zu Ende. Der Stellenabbau war bereits in vollem Gange, die Hälfte der technischen Mitarbeiter hatte ihre Kündigung bekommen. Das wissenschaftliche Personal schrumpfte etwas langsamer, wurde aber zusehends von Universitäten oder finanzstarken Unternehmen abgeworben.
»Dann soll es eben so sein«, gab Jason mit dem Gleichmut eines Vierten (oder einer lange unterdrückten Feindseligkeit gegen seinen Vater) zurück. »Die Arbeit, die wir zu tun hatten, ist getan.«
»Und das sagst du mir so einfach ins Gesicht.«
»Ich glaube, dass es der Wahrheit entspricht.«
»Ist es irgendwie von Bedeutung, dass ich mein Leben damit verbracht habe, das aufzubauen, was du gerade eingerissen hast?«
»Ist es von Bedeutung?« Jason überlegte. »Nein, vermutlich nicht.«
»Mein Gott, was ist nur mit dir passiert? Wenn du einen Fehler von dieser Tragweite machst…«
»Ich denke nicht, dass es ein Fehler ist.«
»… solltest du auch die Verantwortung dafür übernehmen.«
»Das habe ich meines Erachtens getan.«
»Denn wenn es schief läuft, bist du derjenige, dem man die Schuld geben wird.«
»Das ist mir bewusst.«
»Den man der Meute zum Fraß vorwerfen wird.«
»Wenn es dazu kommt.«
»Ich kann dich nicht schützen.«
»Das konntest du nie.«
Ich fuhr mit Jason zurück zu Perihelion. Er hatte seit neuestem ein deutsches Brennstoffzellenauto, ein Nischenfahrzeug, denn die meisten von uns benutzten immer noch die Benzinverbrenner, entwickelt von Leuten, die nicht glaubten, dass es sich noch lohnte, Rücksicht auf irgendeine Zukunft zu nehmen. Eilige Pendler überholten uns, wollten nach Einbruch der Dunkelheit zu Hause sein.
Ich teilte ihm mit, dass ich Perihelion verlassen und eine eigene Praxis eröffnen wolle.
Jason schwieg eine Weile lang, beobachtete die Straße, von deren Belag warme Luft aufstieg, als würden die Ränder der Welt in der Hitze schmelzen. Dann sagte er: »Das musst du nicht, Tyler. Perihelion wird noch ein paar Jahre lang über die Runden kommen, und ich habe genügend Einfluss, um deine Stellung zu sichern. Falls nötig, kann ich dich auch privat anstellen.«
»Aber genau das ist es ja, Jase. Es besteht keine Notwendigkeit. Ich war immer ein wenig unausgelastet bei Perihelion.«
»Du meinst, du hast dich gelangweilt?«
»Könnte ganz gut sein, sich zur Abwechslung mal etwas nützlich zu machen.«
»Du fühlst dich unnütz? Ohne dich würde ich jetzt im Rollstuhl sitzen.«
»Das ist nicht mein Verdienst, das war Wun. Ich hab nur die Spritze reingedrückt.«
»Von wegen. Du hast mich durch das ganze Martyrium geschleust. Dafür bin ich dir dankbar. Außerdem… ich brauche jemand zum Reden, jemand, der nicht versucht, mich zu kaufen oder zu verkaufen.«
»Wann haben wir unser letztes richtiges Gespräch geführt?«
»Nur weil ich damit beschäftigt war, eine gesundheitliche Krise zu überstehen, heißt das doch nicht, dass es keine mehr geben wird.«
»Du bist ein Vierter, Jase. Die nächsten fünfzig Jahre wirst du
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