Spin
Kugeln.
Es gab eine Menge Leute, die Wun Ngo Wen hassten. Sie misstrauten seinen Absichten, so wie E. D. Lawton, oder verabscheuten ihn, weil sie glaubten, er sei ein Feind Gottes; weil seine Haut zufällig schwarz war; weil er für die Evolutionstheorie eintrat; weil er einen handfesten Beweis für den Spin und eine verstörende Wahrheit über das Alter des äußeren Universums verkörperte. Viele dieser Leute hatten sich verschworen, ihn zu töten; Dutzende von Morddrohungen waren in den Akten des Heimatschutzministeriums dokumentiert.
Doch es war keine Verschwörung, der er zum Opfer fiel. Es war eine Kombination aus Habgier, Verwechslung und vom Spin hervorgerufener Rücksichtslosigkeit.
Es war ein beschämend irdischer Tod.
Wuns Leichnam wurde – nach gründlicher Autopsie und Probenentnahme – eingeäschert, und er bekam ein Staatsbegräbnis mit allem, was dazugehört. Dem Trauergottesdienst in der National Cathedral in Washington wohnten Würdenträger aus allen Teilen der Welt bei. Präsident Lomax hielt eine ausführliche Rede.
Es hieß, man wolle seine Asche ins All schießen, aber dazu kam es dann doch nicht. Jason zufolge wurde die Urne vorläufig, bis zu einer Entscheidung über ihren endgültigen Verbleib, im Keller des Smithsonian Institute untergebracht.
Vermutlich steht sie dort heute noch.
VOR EINBRUCH DER DUNKELHEIT ZU HAUSE
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Ich verbrachte einige Tage in einem Krankenhaus in der Nähe von Miami, genas von leichteren Verletzungen, schilderte dem FBI meine Sicht der Ereignisse und versuchte, Wuns Tod zu verarbeiten. Es war in dieser Zeit, dass ich den Entschluss fasste, Perihelion zu verlassen und eine eigene Praxis zu eröffnen.
Ich beschloss aber auch, meine Absicht erst nach dem Replikatorenstart kundzutun; ich wollte Jason nicht zu einem so heiklen Zeitpunkt damit belasten.
Im Vergleich zu den gewaltigen Anstrengungen der Terraformung stellte der Abschuss der Replikatoren geradezu eine Antiklimax dar. Die Ergebnisse, so denn alles nach Plan verlief, würden weitaus großartiger ausfallen, aber die Unaufwändigkeit des Vorgangs – nur eine Hand voll Raketen wurde benötigt, kein cleveres Timing war erforderlich – verhinderte jede dramatische Wirkung.
Präsident Lomax ließ in dieser Sache nichts anbrennen. Trotz wütender Proteste seitens der EU, der Chinesen, Russen und Inder weigerte er sich, irgendjemand außerhalb des engsten Kreises wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Perihelion und der NASA Einblick in die Replikatorentechnologie zu gewähren, und hatte alle entsprechenden Passagen in den veröffentlichten Editionen der marsianischen Archive streichen lassen. »Künstliche Mikroben« (Lawton-Sprech) seien eine »Hochrisiko«-Technologie, sie könnten »waffenfähig« gemacht werden (dies war zutreffend, wie selbst Wun eingeräumt hatte), die USA seien daher verpflichtet, dieses brisante Wissen in »sichere Obhut« zu nehmen, um »nanotechnische Proliferation sowie einen neuen, tödlichen Rüstungswettlauf« zu verhindern.
Die Europäische Union hatte Beschwerde eingereicht und die UNO einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, aber in einer Welt, in der auf vier Kontinenten lokale Konflikte brodelten, hatten Lomax’ Argumente ein beträchtliches Gewicht (obwohl, wie Wun ihm hätte entgegenhalten können, die Marsianer es seit mehreren Jahrhunderten schafften, mit eben dieser Technologie zu leben – und die Marsianer waren nicht mehr und nicht weniger menschlich als ihre terrestrischen Vorfahren).
Aus all diesen Gründen lockte der spätsommerliche Raketenstart in Canaveral nur wenige Menschen an und erregte kein sehr großes Medieninteresse. Wun Ngo Wen war schließlich tot, und die Sender hatten sich mit der Berichterstattung über seine Ermordung reichlich verausgabt – die auf den Offshore-Rampen installierten vier schweren Delta-Raketen schienen da eher wie eine Fußnote zu den Begräbnisfeierlichkeiten, oder, schlimmer noch, eine Wiederaufführung: die Saatguttransporte, neu aufbereitet für eine Zeit gesunkener Erwartungen.
Aber wenn es auch nur eine kleine Show war, so war es dennoch eine Show. Lomax kam extra eingeflogen. E. D. Lawton hatte eine Höflichkeitseinladung angenommen und sich sogar auf gutes Benehmen verpflichten lassen. Und so fuhr ich am Morgen des Starttages zusammen mit Jason zu den VIP-Logen an der östlichen Küste Cape Canaverals.
Die alten Offshore-Rampen – noch gut in Schuss, nur vom Salzwasser ein wenig rötlich
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