Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spin

Spin

Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
von nicht zu rechtfertigender Grausamkeit.
    Diane umfasste mein Handgelenk. »Es ist eine Vierten sache«, sagte sie.
    »Was?«
    »Du hast das Gefühl, die Kugel hätte dich getroffen statt mich. Stimmt’s?«
    Ich nickte erstaunt.
    »Das ist typisch für Vierte. Ich glaube, es soll uns zu besseren Menschen machen. Aber du bist immer noch Arzt. Du musst da durch.«
    »Falls ich es nicht kann, übergebe ich an Ina.«
    Aber irgendwie ging es. Ich konnte es und ich tat es.
     
    Nach einiger Zeit kehrte Ina von ihrer Besprechung mit Jala zurück. »Heute sollten Arbeitskampfmaßnahmen stattfinden. Die Polizei und die Reformasi stehen vor den Toren und beabsichtigen, den Hafen unter ihre Kontrolle zu bringen. Man rechnet mit Zusammenstößen.« Sie sah Diane an. »Wie sieht’s aus bei Ihnen, meine Liebe?«
    »Ich bin in guten Händen«, flüsterte Diane mit brüchiger Stimme.
    Ina begutachtete meine Arbeit. »Kompetent«, erklärte sie.
    »Danke«, erwiderte ich.
    »Wenn man die Umstände bedenkt. Aber hört zu, ihr beiden. Wir müssen dringend weg. Das Einzige, was im Moment zwischen uns und dem Gefängnis steht, ist der Arbeiteraufstand. Wir müssen umgehend auf die Capetown Maru.«
    »Die Polizei sucht nach uns?«
    »Ich glaube, nicht nach Ihnen speziell. Jakarta hat irgendeine Art von Vereinbarung mit den Amerikanern getroffen, das Emigrationsgewerbe zu bekämpfen. Als wurden die Docks immer mal wieder durchsucht, hier und anderswo, unter viel öffentlichem Getöse, damit die Leute vom US-Konsulat auch ordentlich beeindruckt sind. Natürlich ist das nicht von Dauer. Es geht zu viel Geld durch zu viele Hände, als dass das Geschäft ernsthaft unterdrückt werden würde. Aber für den äußeren Schein gibt es nichts Besseres, als wenn uniformierte Polizei ein paar Menschen aus den Laderäumen von Frachtschiffen zerrt.«
    »Sie sind zu Jalas Unterschlupf gekommen«, sagte Diane.
    »Ja, sie wissen über Sie und Dr. Dupree Bescheid, sie würden Sie auch gern in Gewahrsam nehmen, aber das ist nicht der Grund, warum dort draußen Polizei steht. Es laufen nach wie vor Schiffe aus dem Hafen aus, doch nicht mehr lange. Die Gewerkschaft ist ziemlich stark hier in Teluk Bayur. Sie werden kämpfen.«
    Jala rief etwas von der Tür her, Worte, die ich nicht verstand.
    »Jetzt müssen wir wirklich los«, sagte Ina.
    »Helfen Sie mir, eine Trage für Diane zu machen.«
    Diane versuchte sich aufzusetzen. »Ich kann gehen.«
    »Nein«, sagte Ina. »In diesem Punkt muss ich Tyler Recht geben. Bewegen Sie sich möglichst nicht.«
    Wir legten weitere vernähte Jutestücke übereinander und bildeten daraus eine Art Hängematte. Ich nahm das eine Ende, und Ina wies einen der stämmigeren Minang-Männer an, am anderen Ende anzupacken.
    »Beeilung jetzt!«, rief Jala und winkte uns in den Regen hinaus.
     
    Monsunzeit. War dies ein Monsun? Der Morgen sah aus wie die Abenddämmerung. Wolken zogen wie nasse Wollknäuel über das graue Wasser von Teluk Bayur, schnitten die Türme und Radarschirme der großen Doppelrumpftanker ab. Die Luft war heiß und roch übel. Der Regen durchnässte uns schon in der kurzen Zeit, die wir brauchten, Diane in den wartenden Wagen zu laden. Jala hatte für seine Emigrantentruppe einen kleinen Konvoi organisiert: drei Autos und ein paar kleine Transporter mit offenem Verdeck und harten Gummireifen.
    Die Capetown Maru hatte am Ende eines hohen Betonpiers festgemacht, etwa einen halben Kilometer entfernt. In entgegengesetzter Richtung – reihenweise Lagerhallen, aufgetürmte Industriewaren und fette rotweiße Avigas-Behälter lagen dazwischen – hatte sich eine dichte Menge von Dockarbeitern am Tor versammelt. Über das Trommeln des Regens hinweg konnte ich jemanden durch ein Megaphon sprechen hören. Dann Geräusche, die wie Schüsse klangen.
    »Steigen Sie ein.« Jala drängte mich auf den Rücksitz des Autos, wo sich Diane über ihre Wunde beugte, als würde sie beten. »Schnell, schnell.« Er klemmte sich hinters Steuer.
    Ich warf einen letzten Blick auf die vom Regen verwischte Menschenmenge. Ein Gegenstand von der Größe eines Footballs stieg über ihr auf, zog Spiralen von weißem Rauch hinter sich her. Tränengas.
    Der Wagen schoss vorwärts.
     
    »Das da ist nicht nur Polizei«, sagte Jala, als wir auf den schmalen Streifen des Kais bogen. »Die Polizei würde sich nicht so töricht anstellen. Das sind New Reformasi. Schlägertypen, die sie in den Slums von Jakarta von der Straße weg engagiert und in

Weitere Kostenlose Bücher