Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spin

Spin

Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
erhältst du Ergebnisse, die unseren Beobachtungen über den Spin entsprechen. Woraus wir Hinweise darauf gewinnen können, welche Kräfte die Hypothetischen manipulieren.«
    »Aber zu welchem Zweck, Jase?«
    »Es ist noch zu früh, das zu sagen. In jedem Fall glaube ich nicht an die Nutzlosigkeit von Wissen.«
    »Auch wenn wir sterben?«
    »Jeder muss mal sterben.«
    »Ich meine, wir als Gattung.«
    »Das bleibt abzuwarten. Was immer der Spin sein mag, er ist mehr als eine Art ausgefeiltes globales Euthanasieprogramm. Die Hypothetischen verfolgen irgendein Ziel.«
    Vielleicht. Aber genau das, begriff ich jetzt, war der Glaube, der mich verlassen hatte. Der Glaube an die Große Rettung.
    Alle Sorten und Geschmacksrichtungen der Großen Rettung. Etwa: in letzter Minute würden wir ein technisches Wundermittel ersinnen und uns in Sicherheit bringen. Oder: die Hypothetischen waren wohltätige Wesen, die den Planeten in ein Reich des Friedens verwandeln würden. Oder: Gott würde uns alle erretten, jedenfalls die wahren Gläubigen unter uns. Oder. Oder. Oder.
    Die Große Rettung. Es war eine honigsüße Lüge. Ein Rettungsboot aus Papier. Es war nicht der Spin, der meine Generation so verkrüppelt hatte. Es war die Verlockung und der Preis der Großen Rettung.
     
    Das Flackern kehrte ein Jahr später im Winter zurück, hielt achtundvierzig Stunden an und verschwand wieder. Viele von uns begannen es für eine Art Wetterleuchten zu halten, unvorhersehbar, aber im Grunde harmlos.
    Im April gab es ein Flackern, das drei Tage dauerte und die Übertragung der Aerostatsignale störte. Dies rief eine neue (kleinere) Welle von Selbstmorden beziehungsweise Selbstmordversuchen hervor – in Panik gerieten die Leute weniger durch das, was sie am Himmel sahen, als wegen des Versagens ihrer Telefone und Fernsehgeräte.
    Ich hatte aufgehört, die Nachrichtensendungen zu verfolgen, aber bestimmte Ereignisse konnte man nicht ignorieren: die militärischen Rückschläge in Nordafrika und Osteuropa, der von Anhängern eines Kults durchgeführte Staatsstreich in Simbabwe, der Massensuizid in Korea. Vertreter des apokalyptischen Islams erzielten in diesem Jahr große Erfolge bei Wahlen in Algerien und Ägypten. Ein philippinischer Kult, der sich dem Andenken an Wun Ngo Wen verpflichtet hatte – der als pastoralistischer Heiliger, als agrarischer Gandhi angesehen wurde –, hatte in Manila einen Generalstreik angezettelt.
    Und ich bekam weitere Anrufe von Jason. Er schickte mir ein Telefon mit irgendeinem eingebauten Verschlüsselungsteil, das uns seiner Einschätzung nach einen »ganz guten Schutz gegen Stichwortjäger« bat, was immer das heißen mochte.
    »Klingt ein bisschen paranoid«, sagte ich.
    »Sinnvoll paranoid, glaube ich.«
    Vielleicht, sofern wir Dinge besprechen wollten, die die nationale Sicherheit berührten. Das taten wir aber nicht, jedenfalls anfangs. Stattdessen fragte mich Jason über meine Arbeit aus, mein Leben, die Musik, die ich hörte. Ich begriff, dass er versuchte, eine Gesprächssituation herzustellen, wie sie vor zwanzig oder dreißig Jahren bestanden hatte – vor Perihelion, sogar noch vor dem Spin. Er habe seine Mutter besucht, berichtete er. Sie richte ihre Tage noch immer nach der Uhr und nach der Flasche aus. Im Haus habe sich nichts geändert, Carol hätte darauf bestanden. Das Personal halte alles sauber, alles an seinem Platz. Er sagte, das Große Haus sei wie eine Zeitkapsel – als wäre es in der ersten Nacht des Spins hermetisch abgeriegelt worden. Ein bisschen gespenstisch sei das.
    Ich fragte ihn, ob Diane jemals anrufe.
    »Diane hat schon vor Wuns Tod aufgehört, mit Carol zu sprechen. Nein, wir haben nichts von ihr gehört.«
    Dann fragte ich nach dem Replikatorenprojekt. Man hatte in letzter Zeit nichts mehr darüber gehört.
    »Das JPL hält die Ergebnisse unter Verschluss.«
    Ich hörte die Traurigkeit in seiner Stimme. »So schlimm?«
    »Es läuft nicht nur schlecht. Jedenfalls bis vor kurzem. Die Replikatoren haben alles getan, was Wun sich von ihnen erhoffte. Erstaunliche Dinge, Tyler, ich meine, wirklich verblüffend. Ich wünschte, ich könnte dir die Softwareverzeichnisse zeigen, die wir erstellt haben. Fast zweihunderttausend Sterne in einem Raum von Hunderten von Lichtjahren. Wir wissen inzwischen mehr über die Evolution der Sterne und Planeten, als ein Astronom aus E. D.s Generation sich je hätte vorstellen können.«
    »Aber nichts über den Spin?«
    »Das habe ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher