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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
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Versuchstieren, Organen, Präparaten und Implantaten. In dem weiten Labyrinth von Gängen und Laborräumen um sie herum herrschte reger Betrieb. Niemand nahm Notiz von Sarah und Paul. Sie fielen in ihren Kitteln in der Masse der Mitarbeiter nicht weiter auf.
    Im Zentralbereich des Untergeschosses befand sich der Materialtransportlift. Er war durch eine Code-Tastatur gesichert und konnte nur nach Eingabe eines speziellen Codes angefordert und bedient werden. Die Codes wurden für jedes Experiment und für jeden Job jeweils neu vergeben und generiert. Jeder Code erlaubte nur eine einmalige Anforderung des Lifts und somit nur einen einmaligen Transportvorgang. Für jedes zusätzliche Material oder Versuchstier, das benötigt wurde, wurde ein neuer Sub-Code generiert. Jeder Mitarbeiter, der den Lift mit Material beschickte, musste sich zusätzlich mit seiner Chipkarte identifizieren. Auf diese Weise ließ sich die gesamte Materialkette lückenlos kontrollieren.
    Im Normalfall wurde das Material unbegleitet verschickt. Der Mitarbeiter, der den Lift belud, gab die Nummer der Bestimmungs-Etage in die Tastatur des Lifts ein und machte danach den nächsten Auftrag fertig. Auf der Bestimmungs-Etage im Hochsicherheitsbereich wurde die Sendung dann von einem Mitarbeiter entgegengenommen, der über den entsprechenden Code für den Job verfügte.
    Trotz ausdrücklichem Verbot war es üblich, dass der Materialtransportlift von Mitarbeitern als Personenlift missbraucht wurde, um Wege zu sparen. Auf diesen Umstand setzte Paul. Da er regelmäßig bei GDT zu Gast war und oft auch in der Präparatevorbereitung Aufgaben übernommen hatte, fiel er nicht weiter auf. Einige der Mitarbeiter begrüßten ihn ohne jegliche Überraschung als Dr. Mrozek. Auch als er sich jetzt zusammen mit Sarah neben einer Versuchstierbahre in den Luft schob, wunderte sich der Mitarbeiter, der den Lift belud, keinen Augenblick lang. Im Gegenteil, er kannte Paul und begrüßte ihn erfreut. »Hallo Paul, freut mich, Sie zu sehen! Schön, dass Sie wieder mal bei uns sind. Wie läuft es bei Ihnen? Sind sie weitergekommen mit den Spines?«
    »Danke, ich hoffe, dass wir Ende des Jahres weitere konkrete Ergebnisse vorweisen können.« Die Lifttüren schlossen sich, und der stählerne Käfig glitt nahezu lautlos nach oben.
    Sarah spürte, wie ihr Herz anfing zu klopfen, als auf dem Displaybereich des Lifts die Nummern der Etagen in schneller Folge aufleuchteten. Sie hatte Angst. Was würde sie am Ende dieser Liftfahrt erwarten? Bestimmt gab es im Lift eine Überwachungskamera. Höchstwahrscheinlich war das ganze Gebäude voll davon. Und irgendwo gab es sicher einen zentralen Überwachungsraum, in dem ihr Bild jetzt über die Monitore flimmerte. Aber so selbstverständlich wie sie sich bewegten, war es unwahrscheinlich, dass einem Beobachter etwas auffallen würde. Sie waren zwei Labormitarbeiter, ausgewiesen durch ihren Arbeitskittel. Warum sollte jemand darin ein Problem sehen? Sie versuchte, ihre Angst abzuschütteln, indem sie sich auf das prickelnde Gefühl der Neugier konzentrierte, das sie erfüllte und das sie so liebte.
    Im zwölften Stock war die Fahrt zu Ende. Der Lift kam sanft zum stehen, und ein dunkler Gong ertönte. Nach ein paar endlosen Sekunden schwangen die Lifttüren auf. Der Empfänger der Sendung, ein junger Labormitarbeiter mit Pferdeschwanz, begrüßte sie mit einem knappen »Hi« und wandte sich dann der Bahre mit dem Versuchstier zu, ohne sie weiter zu beachten. Sarah und Paul traten an ihm vorbei in den Flur hinaus und verschwanden in einem der Gänge.
    Auch im Laborbereich sorgte Paul nicht für Aufsehen. Man war daran gewöhnt, ihn im Labor zu sehen. Man ging einfach davon aus, dass alles seine Richtigkeit hatte. Und Sarah wurde als seine Begleitung sofort akzeptiert.
    »Okay! Hier sind wir! Und jetzt?«, fragte Paul. Er blieb an einem der Wasserspender stehen, die an jeder Verzweigung in den Gängen installiert waren, zog sich einen Plastikbecher und füllte ihn mit Wasser. »Was sollen wir uns zuerst ansehen? Was schlägst du vor?« Er sah Sarah erwartungsvoll an.
    Sarah überlegte. Bis jetzt hatte sie Paul den Eindruck vermittelt, sie wüsste genau, wonach sie suchen sollten. Aber in Wahrheit hatte sie keine Ahnung. Sie hoffte einfach, dass sie durch Zufall irgendwo eine Spur finden würden. Wenn bei GDT nichtzugelassene Medikamente bei Versuchen mit Probanden eingesetzt wurden, würde es wahrscheinlich keine Aufzeichnungen darüber

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