Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
Vom Netzwerk:
Mandant ist tot! Hingerichtet! Du kommst mit Verschwörungsideen und allerlei unausgegorenen Verdächtigungen, aber wohin sollen die uns führen? Es gibt keinen Fall ›Jens Falk‹ mehr.«
    Ljubov atmete tief durch.
    »Du hast deine Meinung, ich habe meine«, sagte sie ungerührt. »Eine Anekdote werde ich dir noch erzählen. Danach kannst du entscheiden, was du denkst und worum es dir geht. Ich bin in der UdSSR aufgewachsen. Ich weiß, was Diktatur ist.« Sie streckte die Beine aus und fläzte sich auf dem Sessel wie eine Halbstarke. »Hast du jemals von den Cavalieri gehört?«
    »Autsch«, sagte Katinka. »Was ist das?«
    »Ein Männerbund, der bis in die Renaissance zurückgeht. Es gibt mehrere Ritterbünde in Europa und den USA. Legendäre Männergemeinschaften, von denen niemand wirklich etwas weiß außer den Mitgliedern, und diese halten sich naturgemäß bedeckt. Sie haben nicht einmal einen richtigen Namen, sondern nennen sich schlicht Cavalieri . Ritter. Ein praller Ehrenkodex wacht über jeden Einzelnen. Man kommt nur auf persönliche Einladung hinein. Als Gegenleistungen machen die meisten Karriere an den schillerndsten Knotenpunkten der Macht und saugen sich mit Geld voll, bis sie platzen.« Ljubov richtete sich auf und stellte ihre gestiefelten Füße mit einem Klacken nebeneinander. Während sie sich die nächste Zigarette anzündete, redete sie weiter:
    »Die Cavalieri gründeten sich etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Rom. Sie standen zunächst als Vertraute den Päpsten nah. Nicht als Assassinen, oh nein, sie haben sich nicht die Hände schmutzig gemacht. Die Ritter waren jene, die im Hintergrund die Fäden zogen.«
    Katinka tastete nach Ljubovs Zigarettenschachtel.
    »Nimm dir eine.« Das Feuerzeug klickte. »In alten Zeiten gab es eine Menge Feindschaften in Italien. Genau wie heute war die Welt kein Kaffeekränzchen, und jeder musste sehen, wie er seine Interessen am besten durchsetzte. In einem Gesellschaftssystem, das auf Konkurrenz aufbaut, gibt es immer Gewinner und Verlierer, und die Cavalieri waren die härtesten Knochen, wenn es darum ging, zu den Gewinnern zu gehören. Du bist doch Historikerin.«
    »Renaissance war nicht mein Hauptgebiet.«
    »So? Na ja. Der Zusammenhalt unter den Cavalieri war schon früher außerordentlich ausgeprägt, denn die Strafen, die auf Aussteiger zukamen, waren die Hölle. Man brachte sie nämlich nicht einfach um. Wer gegen den Kodex verstieß oder eine Entscheidung nicht mittrug, wurde gefoltert und erst nach vielen Tagen gnädig getötet. Man ließ die Leichen verschwinden. Manche Quellen sprechen davon, dass die Reste nach Jahren ausgebuddelt und ins Mittelmeer geworfen wurden. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Man hört ja, dass das Meer irgendwann alles zurückgibt, was man ihm überantwortet.«
    »Und diese Ritter sind heute noch aktiv?«
    »Aber sicher. Von Italien aus haben sie sich in ganz Europa ausgebreitet. Es gibt reichlich Juristen unter ihnen. Und Kirchenmänner. Vor allem aber Leute, die in der Bildung arbeiten. An Universitäten, Forschungsinstituten, Schulämtern …«
    »Kaminsky und Kazulé gehören dazu?«
    »Gut kombiniert, Katinka. Bamberg ist seit dem 17. Jahrhundert der Knotenpunkt der Ritter in Mitteleuropa. Eine überschaubare Stadt, katholisch, die Kirche hat einen machtvollen Stand, mit starkem Einfluss auf Politik und Medien.«
    Katinka dachte an Britta und deren zunehmende Frustration als Zeitungsredakteurin. Ljubovs Geschichte schien ihr unwirklich und gruselig, dann doch wieder lebendig, als geschähe sie hier, vor ihren Augen. Die Angst, diese Ahnung von Gefahr, die sie vorhin gespürt hatte, kam zurück, stärker als zuvor.
    »Gehörten Kaminsky und Kazulé schon damals, als der Prozess in Kulmbach lief, zu den Cavalieri ?«
    »Ich nehme es an. Schwer zu sagen, die Knaben führen in Mitgliedschaftsangelegenheiten keine Bücher.«
    »Woher weißt du das alles?«
    Ljubov erwiderte Katinkas fragenden Blick mit den unergründlichen Augen einer Sphinx.
    »Na gut.« Katinka stand auf und streckte den Rücken. »Ich muss raus an die Luft. Gehen wir noch was trinken?«
    »Danke, für mich nicht.«
    »Wie verbleiben wir finanziell?«
    »Schon in Ordnung«, sagte Ljubov. »Danke für das Wasser.«
    »Nichts da. Du bekommst dein Geld zurück.«
    »Warte noch bis morgen, ehe du eine Entscheidung triffst. Du kannst dem Hauptkommissar alles weitererzählen. Es ist kein Geheimnis mehr.«
    »Was wirst du tun?«
    Ljubov schulterte

Weitere Kostenlose Bücher