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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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Tür und zog die Lamellenvorhänge vor.
    »Weiter.«
    Ljubov kramte einen Lippenstift aus ihrer Tasche und zog sich die Lippen nach. Ohne Spiegel.
    »Falk hat eine Leiche im Keller eines sehr einflussreichen Menschen entdeckt. Eines Menschen, der vor dem Höhepunkt seiner Laufbahn steht. Eugen Kaminsky. Sagt dir der Name etwas?« Sie schleuderte den Lippenstift in ihre Tasche.
    »Nein.«
    »Er war Lehrer in Kulmbach und zappelte sich später die Karriereleiter hinauf. Heute arbeitet er im Kultusministerium in München und hat Chancen, Minister zu werden. Momentan leitet er das Büro des Staatssekretärs, aber offenkundig hat er einflussreiche Freunde, zu denen auch ein gewisser Hans-Peter Kazulé gehört.«
    »Der seinen Sohn mit Ohrfeigen züchtigt.«
    »Das passt zu dem alten Kazulé. Jens meinte, Kaminsky habe sich einmal etwas zuschulden kommen lassen. Vor Jahren, in Kulmbach. Er soll eine zehnjährige Schülerin belästigt haben. Es kam zu einem Prozess wegen sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen, der reichlich Schmutz aufwirbelte. Kazulé führte damals den Vorsitz. Kaminsky wurde freigesprochen. Aus Mangel an Beweisen.«
    »Was war mit den Schöffen? Der Richter allein konnte doch keinen Freispruch herbeireden.«
    Ljubov zog eine Grimasse.
    »Die Frage war, wie glaubwürdig das Opfer erschien. Und trotz eines Erdrutsches an psychologischen Gutachten konnte man sich nicht einigen. Dem Mädchen wurde unterstellt, alles erfunden zu haben.«
    Katinka machte sich Notizen.
    »Falk war als Referendar am Kulmbacher Wieland-Gymnasium, wie seinerzeit Kaminsky, und bekam Kaminskys Akte zu Gesicht. Und da muss er etwas gesehen haben, das …« Ljubov brach ab und sah zur Tür. »Bist du sicher, dass uns hier niemand belauscht?«
    »Absolut«, sagte Katinka und hob ungewollt den Kopf, um nach Wanzen an der Decke Ausschau zu halten.
    »Sei dir nicht zu sicher. Hast du ein Handy mit Bluetooth-Schnittstelle?«
    »Klar.«
    »Lege es bitte in dein Nebenzimmer und mach die Tür zu.«
    »Spinnst du?«
    »Weißt du nicht, dass man die Software von diesen Handys so manipulieren kann, dass die Telefone sogar ausgeschaltet als Abhörgerät benutzt werden können?«
    »Könnte es sein, dass du an Verfolgungswahn leidest?«
    Ljubov beugte sich vor.
    »Du warst doch gestern dabei! Wer könnte von Falk und seinem Wissen über Kaminsky erfahren haben? Kaminsky selbst?«
    »Kazulé war garantiert keiner der beiden Killer«, sagte Katinka. »Der wäre so fett wie die beiden zusammen und dann noch du und ich dazu.« Sie stand auf und trug ihr Handy ins Nebenzimmer. »So, jetzt ist es auf Nummer sicher.«
    »Danke.« Ljubov schien erleichtert. »Kaminsky würde mit so einer Vorgeschichte niemals Minister werden. Falk hätte eine Lawine lostreten können.«
    »Kaminsky wurde nicht verurteilt, also müssen wir in einem Rechtsstaat doch davon ausgehen, dass er unschuldig ist.«
    »Oder dass es Zweifel gibt.«
    »Die man letztlich nicht bestätigen kann.«
    Ljubov kramte eine Schachtel ›Nil‹ aus ihrer Tasche und steckte sich eine Zigarette an. Katinka schob ihr einen Aschenbecher hin. Mit einem Mal fiel ihr auf, wie erschöpft Ljubov aussah, trotz der sorgfältig aufgetragenen Portion Fond de Teint.
    »Warum hältst du zu so einem wie Kaminsky?«, knurrte Ljubov.
    »Ich halte nicht zu ihm. Aber so funktioniert unsere Demokratie!«
    »Du weißt doch, dass sie nicht so funktioniert«, erklärte Ljubov. Die Hand mit der Zigarette zitterte leicht. »Unschuldige werden verurteilt. Exempel werden statuiert. Andere, die von der Last ihrer Sünden zu Boden gedrückt werden, gelten als Stützpfeiler des Parlamentarismus. Das öffentliche Leben wird als Bühne für Eigeninszenierungen ausgenutzt. So sieht es aus. Außerdem besteht genau das Problem, dass bei sexuellem Missbrauch nicht immer ausreichende Beweise vorliegen. Dann geht es gegen das Opfer und für den Scheißkerl.«
    »Ich will heute Abend nicht über Politik diskutieren«, bestimmte Katinka mit einem Blick auf die Uhr. Vielleicht würde Hardo bald anrufen.
    »Kaminsky will Kultusminister werden und Kazulé ins Justizministerium wechseln.«
    Katinka lachte schallend.
    »Die sind ja alle beide ganz bescheiden.«
    »Siehst du«, erregte sich Ljubov. »Eine typische Seilschaft. Ertragreich für beide. Nun findet Falk diese ›Information‹. Ein politischer Musterknabe, Lehrer aus Leidenschaft und Freund aller Schüler, Eugen Kaminsky, steht auf der Schwelle zu einem der höchsten

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