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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Rennrad hätte er mehr gegeben
als ein Rock’n’-Roll-Fan für die Lauseharke, mit der Elvis nachweislich seine
Schmalztolle onduliert hat.
    Sie saßen im Wohnzimmer des Hauses
Panczek.
    Tim hatte sofort erfaßt, wie es hier
zuging.
    Die Teppichfransen lagen nebeneinander
wie aufgereihte Streichhölzer. Man wagte kaum, sich mit einer schon getragenen
Hose auf die Sessel zu setzen.
    Gernots Mutter war blond und sehr nett,
würde aber nie erlauben, daß jemand mit verschmutzten Schuhen ihr Haus betrat.
    „200 Mark“, sagte sie, „sind wirklich nicht
viel — für ein so teures Rennrad. Aber ist denn Luft in den Reifen?“
    „Mutter!“ sagte Gernot.
    „Ich meine doch nur. Bei Autohändlern
ist das eine beliebte Unsitte, sagt Vater immer. Sie stellen einem den
verkauften Wagen vor die Haustür, und im Tank ist kein Benzin.“
    „Die Reifen sind wohlgefüllt“, sagte
Tim.
    Klößchen grinste. Ein Mundwinkel war
dunkelbraun. Er kaute Schokolade, war aber mit dem letzten Stück — zu seinem
Leidwesen — fast fertig.
    Clothilde stand auf, ging zu einem
Eckschrank, den sie aufschloß. Einem Fach entnahm sie einen Schlüssel. Der
paßte zu einem nachgebauten Biedermeier-Sekretär. In einer Schublade befand
sich eine Geldkassette. Der Schlüssel dazu lag in einem Geheimfach, das
verspielte Tischler in manche Sekretäre einbauen. Es ist so angebracht, daß
ernsthafte Diebe sofort darauf stoßen.
    Sie schloß die Kassette auf, nahm ein
Bündel 20-Mark-Scheine heraus und zählte zehn ab. Sie zählte noch zweimal
durch, bevor sie Tim das Geld gab.
    „Bitte, zähl’ nach, Tim!“
    „Nicht nötig, Frau Panczek.“
    Feierlich überreichte er Gernot den
Schlüssel für das Speichensteckschloß. Und den Fahrradpaß, in den die
Drahtesel-Daten eingetragen waren.
    „Du kannst dich damit in die Kurve
legen, Gernot — sooo“, er zeigte einen 40-Gradwinkel an. „Bei feuchtem Wetter
manchmal leichtes Übersteuern. Aber das Hinterrad wedelt nicht. Und minimaler
Luftverbrauch auf 100 Kilometer.“
    Klößchen gab einen knirschenden Laut
von sich. Er unterdrückte stummes Gelächter.
    Auch Gernot hielt seine Heiterkeit
unter Verschluß, weshalb sein Gesicht scharlachrot anlief.
    „Mann!“ rief er. „Jetzt zische ich nur
noch auf Reifen los. Keinen Schritt mehr zu Fuß.“
    Viermal hatte in der Diele das Telefon
geklingelt.
    Ist Frau Panczek schwerhörig, überlegte
Tim, oder nicht zu Hause?
    Sie lächelte mild.
    „Wenn es nach dem fünften Läuten
aufhört“, erklärte sie, „ist es mein Mann. Das Signal bedeutet, daß er heute
mindestens eine Stunde später aus dem Amt kommt. Auf diese Weise verständigen
wir uns, ohne daß Telefonkosten entstehen. Denn die gingen ja in diesem Fall zu
Lasten des Steuerzahlers, weil mein Mann sein Diensttelefon benutzt.“
    „Vorbildliches
Verantwortungsbewußtsein!“ sagte Tim. „Aber das war jetzt das siebte Läuten.“
    „Prima, Vater kommt pünktlich“, sagte
Gernot. „Er wird staunen über mein Rad.“
    Seine Mutter war in der Diele und
meldete sich.
    „Ist für dich, Tim“, rief sie.
    Nur Gaby und Karl wissen, daß wir hier
sind, dachte er — und nahm den Hörer.
    „Ja?“
    „Tim“, sagte Gaby, „die Adresse ist
Grünauken, Waldsaumweg 1. Dort wohnt der Kunstmaler Detlef Blassmüller. Der ist
mit Dr. Lattmann befreundet und...“
    „Weiß ich“, unterbrach er sie. „Hat
Picasso mir erzählt. Blassmüller hat zur Zeit seine bescheuerte Periode und
malt nichts als sich selbst.“
    „Er braucht Hilfe, möglicherweise. Ein Schlägertyp
schleicht bei ihm rum. Denn eben...“
    Sie berichtete rasch.
    Tim sagte: „Bin schon unterwegs. Wenn
was ist, rufen wir an. Wenn nichts ist, ruft Blassmüller an. Bis später,
Pfote.“

    Überhasteter Abschied. Dann stürmten er
und Klößchen hinaus.
    Der wußte noch nichts, nur daß es
irgendwo brannte.
    Tims neues Rennrad glich dem alten äußerlich
aufs Haar. Für einen Moment mußte er überlegen, um nicht aufs falsche zu
springen.
    Er war der bewährten Marke treu
geblieben, machte sich aber den technischen Fortschritt zu Nutze. Der neue
Renner war noch leichter, noch stabiler, noch schneller.
    Freilich hatte er den Sattel noch nicht
eingeritten, was auf Holperstrecken hart war.
    „Zum Waldsaumweg“, sagte Tim, während
sie abfuhren. Er erklärte, worum es ging. Dann machten sie Tempo.
    „Vielleicht hat Blassmüller Halluzis (Halluzinationen = Sinnestäuschungen)“, schrie Klößchen ihm nach, denn er war bereits um
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