Spion der Liebe
in Mißkredit bringen. Wenn sie einen Arbeitsplatz außerhalb der Stadt suchte, mußte sie erst einmal ein Zimmer mieten und ihre geringfügige Barschaft angreifen. Und falls sie eine Stellung fand, würde sie womöglich in die Klauen einer anderen unbarmherzigen Herrin geraten.
Nein, das würde sie nicht verkraften.
Sie stand auf, trat an ein Fenster und preßte ihre Stirn an die kühle Scheibe. Im strömenden Regen sah sie undeutlich die Umrisse einer schnittigen Yacht, die in ihrer Vertäuung dümpelte.
3
Als er die leisen Schritte im Gang vor seiner Kabine hörte, schaute er zur Uhr hinauf, die an einem Deckenbalken befestigt war.
Zwei Uhr. Plötzlich war er hellwach. Eine Frau an Bord.
Sofort erkannte er den leichtfüßigen Gang auf Zehenspitzen. Nicht umsonst hatte Beau St. Jules bei zahlreichen nächtlichen Stelldicheins Erfahrungen gesammelt. Er schwang die langen Beine über den Rand der Koje und griff nach seinen Breeches. Ein blinder weiblicher Passagier – ein Ärgernis. Oder vielleicht ein netter Zeitvertreib auf der Fahrt nach Neapel …
Serena huschte durch den schwach beleuchteten Korridor und wagte kaum zu atmen. Beklommen hatte sie gewartet, bis die Geräusche aller Aktivitäten an Bord verstummt waren. Nur der Hunger hatte sie aus ihrem Versteck getrieben, einem Schrank voller Frauenkleider, direkt unter der Kajüttreppe. Die duftenden Stoffe erinnerten sie an die schöne Garderobe ihrer längst verstorbenen Mutter.
Wie weit war sie jetzt von ihrer glücklichen Kindheit entfernt, mittellos, auf der Flucht aus England, an Bord eines Schiffes, das einem Fremden gehörte, in der verzweifelten Hoffnung, Florenz zu erreichen, mit Gottes und ihres Verstandes Hilfe … Sie näherte sich der Kombüse, die sie gesehen hatte, als sie in Dover heimlich auf die Yacht geschlichen war. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Köstliche Gerüche wehten ihr entgegen, und der Hunger verdrängte ihr Selbstmitleid.
Als sie eine knusprige Brotscheibe, ein Stück Käse und ein paar Birnen zwischen den Falten ihres Rocks verbarg, erklang eine sanfte Stimme hinter ihrem Rücken. »Soll ich meinen Koch wecken? Er könnte eine etwas nahrhaftere Mahlzeit für Sie zubereiten.«
Erschrocken fuhr sie herum und sah den Besitzer der Yacht am Türrahmen lehnen. Seine weißen Zähne, die er lächelnd entblößte, schimmerten im gedämpften Licht der Öllampe und wirkten irgendwie bedrohlich. Da er nur Breeches trug, weckte der Anblick seines muskulösen Oberkörpers noch andere Ängste.
»Kennen wir uns?« fragte er. Nachdem er schon so vielen Frauen begegnet war, fiel es ihm manchmal schwer, alle auseinanderzuhalten.
»Nicht direkt«, erwiderte sie zögernd. »Gestern abend sah ich Sie ihm Salon des Pelican.«
»Tatsächlich?« Beau hob erstaunt die Brauen. So schöne junge Damen entgingen seiner Aufmerksamkeit nur selten.
Bewundernd musterte er ihr dichtes goldblondes Haar, die großen dunklen Augen, die vollen Lippen, die er nur zu gern kosten würde. »Dann muß ich ziemlich betrunken gewesen sein.«
»Vermutlich. Sie kamen erst nach Mitternacht an Bord, Sir.«
»Also sind wir Reisegefährten?«
»Natürlich möchte ich die Fahrt bezahlen.«
»Darüber reden wir später.« Sein Blick streifte die Lebensmittel, die sie zwischen den Falten ihres Rocks versteckt hatte. »Allem Anschein nach bevorzugen Sie unkonventionelle Geschäftsmethoden.«
»Bedauerlicherweise lief mein Schiff ohne mich aus – nachdem ich die Fahrkarte erworben hatte.« Tränen glänzten in ihren Augen.
»Bitte, weinen Sie nicht. Selbstverständlich sind Sie an Bord der Siren willkommen.« Angesichts verzweifelter Frauen fühlte er sich stets unbehaglich. Und da sie auf seine Yacht geschlichen war, mußte sie sich in einer Notlage befinden.
»Sobald wir in Italien eintreffen, begleiche ich meine Schulden.« Das Studiengeld, das sie bereits nach Florenz geschickt hatte, würde sicher reichen, um den Gentleman für seine Unkosten zu entschädigen.
»Unsinn, ich segle ohnehin nach Neapel. Und allzuviel werden Sie nicht essen.« Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die Serena vollends einschüchterte. »Jetzt werde ich Sie in ein geeignetes Quartier bringen, und dann bekommen Sie eine richtige Mahlzeit. Hätten Sie Appetit auf ein saftiges Steak?«
»O ja …« Seit der Suppe im Pelican hatte sie nichts mehr zu sich genommen.
»Machen Sie sich’s in meiner Kabine bequem, die zweite Tür rechts. Inzwischen wecke ich den Koch.«
Es
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