Spione kuesst man nicht
Schloss verbringen. Wenn wir unterwegs sind, muss ich nämlich zuschauen, wie die Männer nach meiner Mutter lechzen oder fragen, ob wir Schwestern sind. Dann flippe ich total aus, obwohl ich weiß, dass ich mich eigentlich geschmeichelt fühlen sollte, weil jemand annimmt, dass wir miteinander verwandt sein könnten.
Mit anderen Worten: Meine Mutter ist einfach der Hammer.
»Hey, Cam, Rebecca«, sagte sie, bevor sie sich Mrs Buckingham zuwandte. »Danke fürs Herbringen, Patricia. Kommt doch kurz einmal rein.«
In ihrem Büro war vom Chaos dank der Schallschutzwände nichts zu hören. Licht strömte durch die bleiverglasten Fenster und strahlte die Täfelung aus Mahagoni und die raumhohen Bücherregale an, die sich sogar jetzt noch, während wir uns unterhielten, drehten, um Wälzer wie Gifte im Laufe der Jahrhunderte und Leitfaden zum ehrbaren Tod eines Prätorianers zu verbergen und durch Bände wie Ausbildung der höheren Ränge und Private Schulbildung zu ersetzen. Auf dem Schreibtisch stand ein Foto von uns beiden im Urlaub in Russland, und ich sah staunend, dass wir uns auf dem Bild in den Armen liegenund lächeln, während der Kreml im Hintergrund mit dem Schloss von Cinderella in Disney World vertauscht wurde.
»Holografisches, radiosynthetisiertes Bilderdruckpapier«, sagte Mom, als sie meinen aufgerissenen Mund sah. »Dr. Fibs hat im Sommer in seinem Labor einen Stapel davon gezaubert … Hunger?« Sie hielt Bex und mir die hohle Hand hin. Seltsamerweise hatte ich meinen leeren Magen völlig vergessen, aber ich nahm mir ein grünes M&M als Glücksbringer. Etwas sagte mir, dass wir Glück brauchten.
»Girls, ihr müsst mir den Rundgang durch die Schule abnehmen.«
»Aber … wir sind doch erst im zweiten Jahr!«, rief Bex aus, als ob meine Mutter das vergessen hätte.
Moms Mund war voller Schokolade, weshalb Mrs Buckingham die Sache erklärte. »Die Mädchen des dritten Jahrgangs beginnen ihr Semester mit Verhörtaktiken und stehen deshalb im Moment alle unter dem Einfluss von Thiopental, und die Mädchen des Abschlussjahrs bekommen gerade Nachtsichtlinsen angepasst und brauchen noch mindestens zwei Stunden, bis sich ihre Pupillen zurückgebildet haben. Das Timing des Code-Red-Signals ist ausgesprochen ungünstig, aber das hat seinen Grund. Wir wissen nicht, wann es losgeht und jetzt war es eben mal wieder so weit.«
»Was meint ihr?«, fragte Mom lächelnd. »Könnt ihr uns aushelfen?«
Es gibt drei Dinge, die ein Mädchen vorweisen muss, bevor es ungebeten auf der Schwelle der Gallagher Akademie für außergewöhnliche junge Frauen erscheint: Hartnäckigkeit, Stärke und absolute Chancenlosigkeit, was andere Schulen betrifft.Schließlich geben die meisten Schüler nach dem Satz »Wir nehmen zurzeit keine Bewerbungen an«, den sie sich nach jedem Anruf oder Brief anhören müssen, auf. Erst nachdem man von jeder Privatschule des Landes abgewiesen worden ist, legt man schließlich die Strecke bis Roseville zurück und hofft, dass ein persönliches Erscheinen die Meinung unserer Schule ändern wird. Aber Hartnäckigkeit oder Verzweiflung allein genügen nicht, um einen durchs Tor zu schleusen. Nein, das verlangt echte Power.
Deshalb standen Bex und ich auf den Eingangsstufen und warteten darauf, dass die schwarze Stretchlimousine mit der Familie McHenry (ja, die McHenrys, die im letzten Dezember auf dem Titelblatt der Newsweek prangten) in der kurvigen Einfahrt erschien. Das sind Leute, die sich nicht so leicht abwimmeln lassen, und wir hatten ja schon vor geraumer Zeit gelernt, dass man sich am wirksamsten in aller Öffentlichkeit versteckt. Also standen Bex und ich da, um sie an der Gallagher Akademie für außergewöhnliche junge Frauen zu begrüßen. Unsere Aufgabe: Sicherstellen, dass sie nicht erfahren, wie außergewöhnlich wir alle sind.
Der Mann, der aus dem Wagen stieg, trug ein anthrazitgraues Jackett und eine auffallende Krawatte. Die Frau sah aus wie die Erbin eines Kosmetikunternehmens, die sie auch war – kein Haar und keine Wimper verrutscht –, und ich fragte mich, ob mein Lipgloss mit Kirschgeschmack sie beeindrucken würde. Ihrem finsteren Blick nach zu urteilen, war das nicht der Fall.
»Senator«, sagte Bex und streckte dem Mann ihre Hand entgegen. Sie klang durch und durch amerikanisch und liebte das Affentheater. »Willkommen an der Gallagher Akademie. Es ist uns eine Ehre, Sie heute bei uns zu haben.« Ich fand, dass sieein bisschen zu dick auftrug, bis Senator
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