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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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bereits erlöst. Und das Einzige, was wir in diesem Leben zu vollbringen haben, ist es, diese Tatsache zu erkennen! Doris, lass ab von diesem unheilvollen Weg, er führt dich nicht zum Licht, er endet in der Hölle!«
    Meine Schwester war aus ihrem Sessel aufgestanden und hatte den rechten Arm erhoben, die zarte Hand zu einer Faust geballt.
    »Geh hinaus!«, rief sie mir zu. »Hinaus! Hinaus!« Ihre Augen waren dunkelgrün und funkelten hasserfüllt. »Hinaus!«
    Die Gesichtszüge des Pharaos glichen denen seiner Gattin.
    Ich wandte mich um und lief in den Flur. Mantiss folgte mir nach.
    »Was passiert nun?«, fragte ich ihn, während er mich aus der Wohnung dirigierte.
    »Du kannst sicher sein, dass die Reaktion nicht lange auf sich warten lassen wird!«, antwortete er. »Ich möchte nicht in deiner Haut stecken. Noch in dieser Nacht wird ein Fanal gesetzt. Alles Weitere wird sich finden. Und nun verschwinde!«

24
    Ich verlor keine Zeit. Durch den von Osten kommenden eisigen Wind eilte ich über die Spreebrücke und erreichte über die Hindersinstraße am östlichen Rande des Tiergartens den Platz der Republik, wo sich linkerhand das Reichstagsgebäude erhob.
    Das Gebäude war mäßig beleuchtet, da nur wenige Laternen auf dem großen Platz brannten. An der Nordwestecke des Reichstagsgebäudes vorbei schritt ich auf die große Auffahrt zu; aber kaum hatte ich die Seitenfront erreicht, wurde mir bewusst, dass ich irgendetwas gesehen hatte, das ungewöhnlich war oder jedenfalls anders als sonst.
    Ich hielt inne und blickte zu den Fenstern des Reichstags hinauf.
    Hinter einem der Fenster vor der Freitreppe bemerkte ich einen starken Feuerschein – ein Schein, wie von zur Decke emporzüngelnden Flammen. Nachdem ich genauer hingesehen hatte, erkannte ich, dass dieser bereits den Bereich vor dem Hauptportal erhellte. Mittendrin, direkt auf der großen Auffahrt, erblickte ich den Schatten einer Gestalt.
    Beim Nähertreten glaubte ich, diese leicht schwanken zu sehen. Sie drehte sich in meine Richtung um, als hätte sie soeben meine Anwesenheit gespürt, ging mit langsamen und unsicheren Schritten die Auffahrt herunter und kam direkt auf mich zu. Am unteren Ende der Auffahrt blieb die Gestalt wieder stehen. Nun erkannte ich, dass es ein Mann war, der eine blaue Pförtneruniform trug.
    »Da drinnen brennt es!«, rief ich dem Mann zu. »Haben Sie das nicht bemerkt?«
    Der Pförtner starrte mich an. »Ich habe nichts damit zu tun«, stammelte er. »Die Polizisten haben mich betrunken gemacht.«
    »Wichtiger als die Polizei ist jetzt die Feuerwehr! Sie müssen die Feuerwehr rufen – und zwar schnell!«
    Ich hatte es kaum gesagt, da vernahm ich aus der Ferne Sirenengeheul.
    Der Pförtner war ein etwas älterer Mann, der sicherlich kurz vor der Pensionierung stand. Sein Gesicht war kreidebleich, schreckhaft und seltsam verstört. Ich dachte, dass er sich nicht der Situation angemessen verhielt; nicht wie jemand, der den Ausbruch eines Feuers bemerkt hatte, sondern eher wie jemand mit einem furchtbaren Schuldgefühl. Wie einer, der hätte aufpassen müssen, aber unachtsam gewesen war und ein Unglück nicht verhindert hatte.
    »Ich konnte nicht wissen, dass jemand Feuer legen würde«, sagte der Pförtner, aus dessen Uniformmanteltasche eine Kognakflasche ragte.
    Ich horchte auf. »Wer hat das Feuer gelegt?«
    Der alte Pförtner richtete seinen flackernden Blick auf mich. »Die Polizisten?«, stotterte er und sah mich ängstlich fragend an, als könnte ich selbst ihm die Antwort geben. »Oder nein, ich weiß es nicht.«
    Vom Hauptportal her kamen Stimmen.
    »Wo ist der Kerl?«, schrie jemand. Ich erkannte uniformierte Männer, die bis zu der Brüstung vor dem Hauptportal gelaufen waren. Das aber waren keine Feuerwehrmänner, sondern sie sahen tatsächlich aus wie Polizisten.
    Sofort beschlich mich ein Unbehagen und ich sagte mir, dass es das Beste wäre, mich schnellstens von diesem Ort zu entfernen. Allerdings war es zu spät, denn einer der Polizisten, oder was immer sie waren, hatte den Pförtner und mich gerade entdeckt.
    »Da unten!«, hörte ich ihn rufen. Schon starrten auch seine Kumpane allesamt in unsere Richtung.
    Ich hätte mich trotzdem umdrehen und weglaufen sollen; weil ich es nicht tat, waren der Pförtner und ich einige Augenblicke später von vier Polizisten umzingelt. Zwei von ihnen ergriffen ihn sogleich an den Armen und nahmen ihn in ihre Mitte.
    »Betrunkenes Schwein!«, entrüstete sich der eine. »Wir

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