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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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es jetzt, der die Konsequenzen tragen muss.«
    Mein Blick wanderte zu seinen Händen, zur rechten Hand, an der nach einer Kriegsverletzung der Mittelfinger fehlte: Wenn es noch irgendeinen Zweifel daran gegeben hatte, dass Mantiss der Mann auf der Fotografie aus dem Berliner Gartenlokal war, so war dieser nun ausgeräumt.
    »Du hältst dich wohl für besonders klug und wähnst dich auf der richtigen Seite«, erwiderte ich. »Doch die Leute, denen du dein Ohr geschenkt hast, könnten sich am Ende als die falschen Ratgeber erweisen.«
    »Du bist ein Narr!«, erwiderte er ruhig. »Es gibt keine Ratgeber um mich herum, es gibt nur Gleichgesinnte und Freunde. Ich schenke niemandem mein Ohr, manch andere schenken mir indes das ihre. Als Pharao im Hintergrund die Fäden zu ziehen, ist eine Rolle, die mir auf den Leib geschneidert ist und die auch meiner Eigenschaft als ehemaligem Angehörigen der Reichswehr und als Reserveoffizier geziemt! Eigentlich hänge ich nicht an Posten – ich stelle mich nur der Verantwortung und gebe alles, damit das goldene Zeitalter wieder Wirklichkeit werden kann. Ich bin ein Eingeweihter der schwarzen Sonne.«
    »Du hast zu viele Romane über Atlantis geschrieben und dich in deinen eigenen Sujets verfangen – du solltest dich einmal moderneren Themen zuwenden.«
    »Modern?«, lachte er. »Du verstehst wirklich gar nichts. Unser Streben ist notwendigerweise rückwärtsgewandt. Wir sind gefallene Wesen, die ihren göttlichen Ursprung verloren haben und alles tun müssen, um ihn wiederzugewinnen. Ich weiß, wer ich bin!«
    »Ich leider auch: Du bist Anhänger eines verqueren und bösen Weltbildes, ein Berufszyniker, der das goldene Zeitalter für die Angehörigen seiner Rasse sucht und dabei das Leid Millionen anderer Menschen finden wird.«
    »Es ist mir egal, ob du mein Weltbild böse nennst. Wir unternehmen den Versuch, den Sonnenmenschen zu schaffen, ein göttliches, ein unsterbliches Wesen. Eine solche Umwandlung kann ohne die Umwertung aller Werte im Nietzsche’schen Sinne nicht vollbracht werden. Wir haben Feinde, die unseren Erfolg zu verhindern suchen und die wir deshalb bekämpfen müssen. Nenn das von mir aus böse! Für mich ist es gut!«
    Er stand auf und trat zur Seite, um nach einer Kognakflasche zu greifen, die dort auf einer Anrichte stand, und sich ein Glas einzuschenken.
    »Möchtest du auch einen?«, bot er mir an.
    »Nein, danke.«
    Ich blickte zu Doris und fragte an sie gewandt: »Warst du denn nicht überrascht, dass ich wohlbehalten aus New York zurückgekehrt bin?«
    »Etwas geht ja meistens schief!«, sagte sie mit kaltem Lächeln. »Immerhin hat mit Florence alles geklappt. In einem Punkt irrst du dich! Ich habe Irene nicht gebeten, dich zu töten, sondern dein Schicksal in ihre Hände gelegt.«
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Sie selbst hat beschlossen, dich zu eliminieren, weil ihr bewusst war, dass du ihr nach dem Tod Florence’ und des Professors Probleme machen würdest – sei es in New York oder hier in Berlin. Sie hat bekanntlich ihre speziellen Methoden, doch irgendwie hat sie es in deinem Fall verpatzt. Abgesehen davon hat sie ihre Sache natürlich perfekt gemacht! Du selbst hättest gegen sie nicht den Hauch einer Chance gehabt, wenn dieser New Yorker Gangster nicht gewesen wäre … Trotzdem: Falls sie uns verraten hat, wird sie so enden, wie der amerikanische Gangster es für sie vorgesehen hatte!«
    »Ich sagte bereits, dass du dich irrst! Sie hat mir nicht geholfen!«
    »Das wird sich erweisen«, brachte mich der Pharao neben mir in scharfem Ton zum Schweigen, »darüber legen wir dir bestimmt keine Rechenschaft ab.«
    Ein finsteres Leuchten lag in seinen dunkelblauen Augen.
    »Und du«, fügte er hinzu, »nun, wir werden darüber nachdenken und dann einen Entschluss fassen, was mit dir geschehen soll. Der fällt schneller, als dir lieb sein kann!«
    Es war Zeit, dass ich mich in Sicherheit brachte – mir blieben bestenfalls ein paar wenige Stunden, um aus Berlin zu verschwinden. Im Moment war ich in dieser Stadt vor den Schergen der ›Gesellschaft‹ nicht mehr sicher.
    »Es ist schade, wie alles gekommen ist, Doris«, sagte ich in einem letzten, verzweifelten Versuch, sie zur Besinnung zu bringen. »Wir hatten gute Eltern, eine glückliche Kindheit. Was würden die Eltern sagen, wenn sie uns heute sehen könnten! Mein Gott, es gibt doch überhaupt nichts zu machen. Wir sind schon gemacht, wir brauchen nicht zu Übermenschen zu werden. Wir sind

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