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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Blutes, das von seinem unruhigen Herzen immer schneller durch den Körper gepumpt wurde.
    Das also war ihr Plan.
    Sie hatten ihn nicht schon vorher umbringen können, denn sie brauchten seine Leber erst nach der Geburt seines Kindes.
    Haberland hatte am Ende mit allem recht behalten. »Nun, ich bin mir nicht sicher, wie die BleibtreuKlinik bei ihren Patienten eine künstliche Amnesie herbeiführen will. Bislang sind Gedächtnisausfälle immer ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt. Doch ich könnte mir vorstellen, dass sie die Probanden einer Schocktherapie unterziehen. Und ist es nicht genau das, was Ihnen gerade widerfährt? Ein traumatisches Ereignis, das das nächste jagt?«
    »Dreh dich um«, befahl Benny. Er kontrollierte noch einmal das Magazin. Dann zog er die Lamellenvorhänge vor dem Fenster zu. Das restliche Tageslicht fiel jetzt nur noch durch die Tür vor der Terrasse. »Du bist wahnsinnig.« Marc hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Draußen schneite es weiter, die Stadt schien von hier oben wie mit schmutziger Zuckerwatte überzogen. Alles war unwirklich und gleichzeitig real. »Bitte, dreh dich um. Sie holen das Baby in dieser Sekunde. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit, es muss sofort operiert werden.«
    »Aber wieso nur? War das alles denn wirklich nötig?« Er suchte den direkten Blickkontakt zu seinem Bruder, doch der senkte die Augen. Auch Bennys Hand zitterte, obwohl er derjenige war, der die Situation mit der Waffe kontrollierte.
    »Du hättest nach einem Kompromiss gesucht«, sagte er. »Das Risiko wollte Sandra nicht eingehen.«
    »Ich wünschte, du hättest es nicht erfahren.«
    »Es gibt wirklich keine andere Lösung.«
    Marc schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht. »Verdammt, Benny, du kennst mich doch. Glaubst du nicht, ich hätte mich freiwillig geopfert?«
    »Hättest du das?«
    Marcs Beine drohten unter ihm wegzuknicken. Habe ich den Mut? Oder wäre ich wirklich davongelaufen?
    »Du kennst mich. Wir sind Brüder!«
    »Ich weiß, aber ich kann nicht anders.« Benny zog die Nase hoch. Er stand im Halbdunkel neben dem Schreibtisch, und Marc konnte die Tränen nicht sehen, die seinem Bruder die Wangen hinab liefen. Auch er begann zu weinen, als er sich langsam, wie in Zeitlupe, zur Wand drehte. Er starrte auf den Leuchtkasten mit der Ultraschallaufnahme seines Sohnes. Das erste und letzte Bild, das er von seinem Kind je sehen würde. Dann schloss er die Augen. »Weshalb kann man nicht einfach einen Teil meiner Leber verpflanzen?«, fragte er. »Wieso muss hier überhaupt jemand sterben?«
    »Siehst du? Du hättest nach einem Mittelweg gesucht. Du warst ein zu großes Risiko für unseren Plan.« Marcs Brustkorb hob und senkte sich wie bei einem hyperventilierenden Patienten. Er schwitzte am ganzen Körper, während er versuchte, an seinen Sohn zu denken, den er niemals in den Armen halten würde, nie zur Schule bringen, nie beim Baden im Meer beobachten, dem er nie Geld für den Abend mit der ersten Freundin zustecken würde. Niemals könnte er einfach nur still dastehen und seine regelmäßigen Atemzüge beim Schlafen beobachten. Aber die Gewissheit, dass sein Kind nur durch ihn leben würde, nahm ihm nicht die Angst vor dem Sterben. Er war kein Held. Er war einfach nur ein geschwächter, vollkommen erschöpfter Mann mit entsetzlicher Angst vor dem Tod.
    »Aber den kannst du doch sowieso nicht verhindern.«
    »0 doch, das werde ich, glaube mir«, erinnerte er sich an die Unterhaltung mit Sandra kurz vor dem Aufprall. »Ich wünschte wirklich, ich müsste das hier nicht tun. Scheiße«, flüsterte sein Bruder. »Ich wünschte, du wärst nicht zu mir gekommen, und ich würde dich immer noch hassen. Es tut mir so leid.«
    Dann hörten die schwarzen Punkte vor Marcs Augen auf zu tanzen, und eine letzte schöne Erinnerung an ein Gespräch mit Sandra berührte seine Seele. »Sollte einer von uns beiden sterben - halt, lass mich bitte ausreden. Dann soll der, der gegangen ist, dem anderen ein Zeichen geben.«
    »E r soll die Lampe anmachen?«
    »Damit wir wissen, dass wir trotzdem nicht alleine sind. Dass wir an uns denken, auch wenn wir uns nicht sehen können.«
    »Benny«, sagte Marc und schlug die Augen wieder auf. »Hmm?«
    »Du musst das nicht tun.«
    »Doch.«
    »Nein, ich werde es selber machen.«
    »Das geht nicht.« Die Antwort klang dumpf, als würde sein Bruder sich ein Taschentuch vor den Mund halten.
    Marc schnellte herum, doch da war es schon zu spät. Sein Bruder hatte den Abzug

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