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Splitterfasernackt

Splitterfasernackt

Titel: Splitterfasernackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Lindner
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regelmäßig Frauen. Manchmal auch zwei oder drei auf einmal. Aber so ein wundervolles Ding wie dich habe ich noch nie bekommen. Wo muss ich anrufen?«
    »Sehr witzig, Chase«, habe ich geantwortet.
    »Das war absolut ernst gemeint!«, hat Chase erwidert.
    »Ich bin viel zu teuer für dich!«, habe ich daraufhin wütend gefaucht.
    »Oh, hoho«, hat Chase gesagt und gegrinst.
    Dann hat er aufgehört zu grinsen und mich eine Weile lang schweigend angesehen.
    Als er schließlich seinen Arm um mich gelegt und mich zu sich herangezogen hat, wollte ich weinen. Weil ich alles getan hätte, um nur einmal richtige Zärtlichkeit spüren zu können. Eine Sekunde lang. Nur für einen winzigen Augenblick.
    »Mädchen, was machst du nur?«, hat Chase so leise gesagt, dass ich mich anstrengen musste, um ihn zu verstehen. »Ich kenne dich seit all diesen Jahren, und du bist so viel mehr, als du weißt. Verlier dich nicht in fremden Betten, zwischen benutzten Kondomen und verschwitzten Männern. Versprich mir das. Versprich mir dieses eine Mal etwas, das du auch halten wirst. Ich bin nicht dumm, Lilly, ich weiß, was für ein Spiel du mit dir treibst. Ich kenne die Regeln. Wage nicht, es zu verlieren.«
    Ich habe genickt, obwohl ich wusste, dass ein Versprechen, das man sich nicht selbst geben kann, keinen Wert hat. Dann habe ich mein Gesicht in die Schulter von Chase vergraben, und wenn sich meine Stimme in diesem Moment nicht aus dem Staub gemacht hätte, dann hätte ich gesagt: »Wenn ich all den nutzlosen Sex aus meinem Lebenslauf streiche, bin ich eigentlich noch Jungfrau.«
    Aber vor Chase musste ich mich nie rechtfertigen. Und zum Glück. Kann Chase mit Worten umgehen. Besser als ich. Und deshalb hat er auch nie einen Satz zu mir gesagt, der mir das Gefühl gegeben hat, eine entblößte, von Sperma überflutete Seele zu sein.
    Seine starken Arme haben sich warm angefühlt auf meiner viel zu kalten Haut. Und ich wollte, dass er mich für immer festhält. Aber ich wusste: Ich bin verloren – und selbst wenn er mich auf ewig halten würde, es wäre trotzdem nie genug.
     
    Als Nächstes habe ich Lady von meinem Zeitvertreib erzählt. Wir saßen im Lietzenseepark unter einer Trauerweide, direkt am Ufer gegenüber der ehemaligen Polizeistation, und Lady war gerade dabei, sich mit so viel Sorgfalt einen Joint zu basteln, als ginge es um ihr Leben.
    »Magst du mich noch?«, habe ich abschließend gefragt.
    »Viel mehr als vorher«, hat Lady, ohne aufzublicken, gesagt und währenddessen überaus konzentriert an dem Blättchen herumgezupft. »Wenn du nur weißt, was du tust, und dich mit dem Respekt behandelst, den du verdienst.«
    »Hm«, habe ich gesagt.
    »Ach, weißt du«, hat Lady da gemeint und angefangen in ihrer Handtasche nach einem Feuerzeug zu kramen, »ich war auch einmal jung und habe rumgehurt. Ich meine, ich bin immer noch jung, und hin und wieder habe ich immer noch richtig geilen und gutbezahlten Sex mit irgendeinem Stammfreier von früher. Das ist schon cool, das ist okay – das ist das Leben. Wir sind ja keine Nonnen oder so, sonst würden wir beten und für Gott auf die Knie sinken, nicht für einen Schwanz. Süße, ich sage immer: Solange du nicht durch die Straßen von Berlin spazierst und dabei die Männer zählst, mit denen du noch keinen Sex hattest, ist alles okay.«
    »Das meinst du nicht ernst, oder?«, habe ich stirnrunzelnd gefragt.
    »Nein. Nicht ganz«, hat Lady erwidert und ihren Joint erleuchtet. »Aber hey! Wir sind jung, wir sind hübsch, und eine von uns hat sogar ziemlich geile Titten. Das bist übrigens nicht du. Also, wenn wir nicht losziehen, um ordentlich Unheil anzurichten, wer dann?«

6
    E s ist früh am Abend, die Luft riecht nach frisch gewaschenen Haaren, im Nebenzimmer zischt die Espressomaschine, und russisch-bulgarische Wortfetzen sowie leises Lachen dringen an mein Ohr. Ich liege eingewickelt in ein weißes Laken neben Slavenka auf dem großen, weichen Bett im Mädchenzimmer und schreibe Sätze, nur um sie anschließend sofort wieder zu löschen.
    Ab und zu unterbreche ich das Tippen, um mich ein bisschen mit Slavenka zu unterhalten. Obwohl wir uns gar nicht oft sehen und uns auch nicht sonderlich gut verständigen können, hat sich eine Freundschaft zwischen uns entwickelt. Ich weiß, dass ich Slavenka an ihre Töchter erinnere, die noch in Russland leben und die erst nachkommen können, wenn sie ausreichend Geld verdient hat und der ganze Papierkram geregelt ist. Slavenka ist

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